Das Prometheus Mosaik - Thriller
Lösung hatte genügt, ihn bis nach Wien zu locken, alles liegen und stehen zu lassen.
Nicht zu vergessen die Tatsache, dass die Polizei dich sucht …
»Hören Sie mich denn nicht?«
Ein Geräusch, ein Laut.
Der leise Schrei eines kleinen Kindes?
Vier Augen starrten aus dem schwarzen Himmel herab, der sich über Theo auszubreiten schien. Vier glitzernde Punkte in der Dunkelheit am oberen Ende der Treppe. Noch einmal erklang der Laut von eben, länger diesmal, ungeduldiger fast.
Katzen.
Na toll …
Er konnte Katzen nicht leiden. Und das nicht nur, weil er allergisch auf sie war. Sie waren ihm zu undurchschaubar, zu eigenwillig, ihrem Verhalten war kaum auf den Grund zu gehen. Alles Dinge, die Theo nicht mochte.
Jetzt allerdings folgte er ihnen. Weil es beinahe klang, als riefen sie ihn. Und darüber hätte Theo um ein Haar laut gelacht – wäre in den letzten Tagen nicht so vieles in seinem Leben und Umfeld geschehen, über das er irgendwann einmal – in einem anderen Leben – gelacht hätte …
Die Stufen knarrten unter seinen Füßen. Als ächze das Haus unter dem zusätzlichen Gewicht, das er ihm auflud. Über ihm zogen sich die Katzen zurück, die grüne Glut ihrer Augen verglomm.
Auch hier oben war es nicht völlig dunkel. Von irgendwoher sickerte Licht wie durch dreckverkrustete Fenster und Vorhänge. Und weiter hinten, am Ende eines Flurs vermutlich, machte er echte Helligkeit aus, ganz dünn, wie das Streulicht eines Halbmonds, das durch ein Fenster fiel.
Theo wollte sich noch einmal bemerkbar machen. Dann ließ er es sein. Er rief sich in Erinnerung, mit wem er es hier zu tun hatte, mit was für Leuten …
Entführung, Mord …
Angst schlich um sein Herz herum wie ein Einbrecher, der nach einer Tür oder einem Fenster sucht, das ihm Einlass bietet. Er rüttelte hier und da, aber Theo hielt dagegen und war stärker als die Angst.
Noch …
Stumm ging er weiter. Wenn auch nicht lautlos. Die Dielen verrieten jeden seiner Schritte, und je vorsichtiger er aufzutreten glaubte, desto lauter schienen sie zu knarren.
Die Tür, durch die das Licht auf den Korridor fiel, stand halb offen. Das Zimmer dahinter musste groß sein, denn der Lampenschein reichte kaum bis hierher.
Theo versetzte der Tür einen leichten Stoß. Auch diese öffnete sich geräuschlos.
Eine Bewegung an der Peripherie seines Blickfelds ließ ihn den Kopf drehen.
Die Katzen …
Sie zogen sich zurück in den Schattenwall, der zwischen den Wänden und der Lampe lag. Irgendetwas an ihnen kam Theo merkwürdig vor, doch sein Interesse daran war nur flüchtig. Er war nicht hier, um sich mit Katzen zu befassen.
Die Lampe stand auf einem Schreibtisch, und sie warf ihr Licht, genau abgezirkelt, auf von Hand beschriebenes Papier. Im Falz zwischen den Seiten lag ein edel aussehender Füllfederhalter.
Nichts rührte sich, nicht einmal die Katzen, die irgendwo im Dunkeln lauern und ihn beobachten mussten. Oder auch nicht, denn Theo entdeckte noch nicht einmal das grüne Leuchten ihrer Augen.
Langsam trat er ins Zimmer, immer wieder um sich schauend, bis an den Schreibtisch. Er umrundete das schwere antike Möbelstück, das in einem Haus wie diesem völlig fehl am Platze wirkte. Die Augen hatte er auf das beschriebene Papier gerichtet. Sein Blick schweifte darüber, die Schrift war kaum zu entziffern.
Wie das Gekrakel eines Arztes …
Er beugte sich vor, versuchte mehr zu lesen. Das war der Grund, warum es ihm nicht gelang, sich rechtzeitig umzudrehen und auszuweichen.
Er hörte den Atem eines anderen hinter sich, spürte, wie dieser Atem seinen Nacken traf – gefolgt von etwas anderem, von etwas Hartem, unter dem sein Genick zu brechen schien.
Theo fühlte sich schlagartig gelähmt, fühlte nichts mehr, bekam nur noch mit, wie er stocksteif umkippte, während der Boden sich ihm entgegenzuwölben schien.
***
U NTER W IEN , VOR M ITTERNACHT
Zwei Wunder waren ihr widerfahren. Fio wusste, dass dies mehr war, als manchen Menschen im ganzen Leben geschenkt wurde. Sie hatte ihre zwei Wunder binnen vierundzwanzig Stunden erfahren dürfen – und war so undankbar, so unverfroren, nun für ein drittes zu beten. Das sah ihr nicht ähnlich. Sie schien sich verändert zu haben, seit sie aus dem Stift und hinaus in die Welt geschickt worden war. Und jetzt kam sie sich vor, als säße sie immer noch in dem Zug, mit dem sie ihre Heimat verlassen hatte – nur schien sie nicht mehr aussteigen zu können.
Oder ich steige immer wieder ein
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