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Das Prometheus Mosaik - Thriller

Das Prometheus Mosaik - Thriller

Titel: Das Prometheus Mosaik - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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    Gestern, etwa um diese Zeit herum, war es ihr vergönnt gewesen, doch noch einen Weg aus den Katakomben, diesem Haus aus Stein unter der Erde, nach droben zu finden. Sie war nicht in der Universität herausgekommen, sondern irgendwo in Wien, in einem finsteren Hof, in mondloser Nacht. Der Weg von dort nach Hause, zu ihrer Studentenbude, war letztlich fast schwerer zu finden gewesen als der aus der Unterwelt heraus. Das hielt Fio für ihr erstes Wunder.
    Das zweite hatte sie heute den »Unterricht« mit Döberin überstehen lassen, ohne dass diesem ihre ungeheure Nervosität aufgefallen wäre. Zumindest hatte er sie nicht darauf angesprochen. Mratschek hingegen schien ihr Zustand nicht entgangen zu sein. Nur sagte auch er nichts. Trotzdem hatte sie eine Reaktion seinerseits festgestellt; sie hatte sich in seiner Miene gezeigt, und das einzige Wort, das Fio dafür einfiel, war Befriedigung.
    Jetzt war sie zum dritten Mal innerhalb eines Tages in dem unterirdischen Reich, in dem es mehr gab als nur Döberins altes Labor. In dem es all das gab, was Fio gestern schon entdeckt hatte, und in dem es noch mehr zu finden geben musste.
    Hinter dem Prometheus-Mosaik.
    Fio besaß den Schlüssel zur Geheimtür nicht, sie wusste nicht, wie man den Mechanismus auslöste, der die Wand öffnete. Sie war jedoch zuversichtlich, das herauszufinden. Denn sie war nicht mit leeren Händen gekommen.
    In der Verfassung, in der sie am Nachmittag noch gewesen war, hätte sie sich kein weiteres Mal und schon gar nicht in der Absicht, die sie jetzt antrieb, in diese Landschaft aus gemauerten Höhlen und Röhren heruntergewagt. Den ganzen Abend über war sie, während sie auf ihrem Bett gesessen hatte, in Gedanken jene Wege gegangen, die sie ihr Leben lang kannte und die sie zur inneren Ruhe führten, dorthin, wo es vollkommen still war, wo nichts anderes hinfand als der eigene Geist und der Gott, an den man glaubte. Einen Teil dieser Ruhe hatte Fio von diesem Ort hinter ihrem Herzen mitgebracht, und in gewisser Weise trug sie diesen nun vor sich her wie Prometheus das Feuer. Er war ihre ganz eigene Fackel und zugleich Mut und Schicksal.
    Inzwischen hatte sie den Bogen einigermaßen raus, wie man sich hier unten halbwegs leise bewegte. Tatsächlich war nicht mehr jeder ihrer Schritte überlaut zu hören, und zu atmen schien sie gar nicht mehr.
    Trotzdem war es nicht still.
    Je stiller sie sich verhielt, desto lauter vernahm Fio jedes andere Geräusch. Das Tröpfeln und Plätschern, mit dem Wasser sich von der Decke löste und zu Boden fiel wie Regen aus Wolken, die in der Nacht unsichtbar waren. Das Huschen irgendwelchen Getiers, das Rascheln und gelegentliche Pfeifen der Ratten, die es so tief im Herzen dieses Bauwerks nun doch gab, das feine Kratzen ihrer Krallen, vielleicht sogar das eigentlich unhörbare Trippeln von Käferfüßen und Spinnenbeinen, deren Netze Fio immer wieder streifte.
    Dass sie die fast wohnlich eingerichtete Kaverne, in deren Wand das Mosaik eingelassen war, wiederfand – mit nichts anderem gerüstet als einer Taschenlampe und der Hoffnung, dass sie sich auf ihr Erinnerungsvermögen einigermaßen verlassen konnte -, erwies sich dann als Fios drittes Wunder. Sie schickte mehr als nur ein Stoßgebet zum Himmel.
    Der Raum war leer, menschenleer. Im Kamin brannte wieder ein Feuer, dessen Widerschein Fio den letzten Rest des Weges gewiesen hatte.
    Sie lauschte, hielt die Luft an. Hörte nichts außer dem Prasseln der Flammen, dem Knacken des Holzes. Warm war es trotzdem nicht, jedenfalls nicht nach Fios Empfinden.
    Tief atmete sie ein, dann wagte sie den Schritt über die Schwelle, und schon stand sie vor dem Mosaik, das Prometheus bei der Übergabe des Feuers an die Menschen zeigte. Ein großer Schritt für die Welt, in einen Mythos gefasst. Fio selbst fühlte sich, als stünde sie vor einer Schwelle, die jener glich, über die Prometheus die Menschheit geführt hatte.
    Sie schluckte, schauderte, riss sich los von ihren Gedanken und konzentrierte sich aufs Tun.
    Sie wusste, wo ungefähr Döberin das Bild berührt hatte: irgendwo im Bereich der Flamme auf der Hand des Prometheus. Damit standen immer noch Hunderte von bunten Plättchen zur Auswahl.
    Fio packte aus, was sie mitgebracht hatte: einen weichen Pinsel und Kreidestaub. Den Staub streute sie auf ihre offene Hand, dann blies sie ihn gegen das Mosaik, wo er sich absetzte und haften blieb, wie ganz gewöhnlicher Hausstab es tat. So bedeckte sie die ganze

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