Das Prometheus Mosaik - Thriller
Beine, als könnten und wollten sie ihm helfen. Er verscheuchte sie, nicht weil sie ihm wirklich im Weg waren, sondern das einzige Ventil für ihn, seinem Unmut Luft zu machen. Sie nahmen es ihm nicht übel. Als wüssten sie, dass sie ein Zuhause so wie bei ihm nirgendwo anders gefunden hätten.
Die Hälfte der Entfernung bis zur Treppe nach unten war geschafft. Die zweite Hälfte lag noch vor Wolff, und der Weg schien ihm viel länger als je zuvor.
Kurze Pause …
Er wollte Theo sanft zu Boden gleiten lassen, aber seine Hände waren kraftlos und rutschten ab. Ein dumpfer Laut ließ den Boden unter ihm vibrieren, als der Hinterkopf des Jungen auftraf und ihm einen Schmerzlaut über die Lippen presste.
»Verzeihung«, sagte Wolff, und es klang so ehrlich, dass es ihn erstaunte.
Albern eigentlich, angesichts dessen, was Theo bevorstand …
Die Hände auf die Knie gestützt, atmete Wolff tief ein und aus. Das Rauschen des Blutes in seinen Ohren nahm ab, sein Puls beruhigte sich immerhin so weit, dass er die nächste Etappe des Weges in Angriff zu nehmen bereit war. Bis zur Treppe wollte er ihn jetzt ziehen, dann wieder eine Verschnaufpause einlegen.
Im nächsten Augenblick schien unter ihnen die Sonne aufzugehen.
Drunten im Hausflur wurde es auf einen Schlag so hell, wie es die Funzel unter der Decke nie zustande gebracht hätte. Ganz abgesehen davon, hatte Wolff die Birne herausgedreht, weil er gewollt hatte, dass sein Besucher im Dunkeln nach ihm suchte.
Dann raste das Licht auch schon zu ihnen herauf, über die Treppe, an den Wänden und unter der Decke entlang. Schlangen aus fast weißer Glut schienen sich bis zu ihnen zu fressen, kreuzten sich, vereinigten sich, lösten sich wieder voneinander, woben Wolff und seinen Gefangenen wie in ein Käfiggitter aus flackerndem, nun rotstichigem Licht.
Es war nicht einfach nur ein Feuer im Haus ausgebrochen – das ganze Haus stand in Flammen.
So plötzlich, dass Wolff sofort Bescheid wusste.
***
Ein Knopfdruck hatte genügt, die Hölle aufzutun.
Während Wolff außer Haus gewesen war, hatte sie das baufällige Gebäude präpariert, es mit geruchlosem Brandbeschleuniger geimpft. Ein Zünder hatte somit genügt, das gesamte Haus auf einen Schlag in Flammen aufgehen zu lassen.
Um ihr besonderes Arsenal hatte sie so mancher Kollege beneidet – die Erben hatten sie mit allen denkbaren und vielen undenkbaren Mitteln ausgestattet …
Roxane Fortier blickte in dieses Feuer wie andere Menschen in das eines Kamins und empfand dabei ganz ähnlich. Jedenfalls stellte sie sich das so vor; sie war nie gewesen wie andere Menschen, hatte allerdings oft über sie nachgedacht – immer bis zu dem Punkt, wo ihr Neid auf diese anderen, diese normalen Menschen aufzuflammen drohte.
Irgendwo weiter oben platzte ein erstes Fenster unter dem Ansturm der Hitze. Glassplitter fielen wie silberner Regen herab und klimperten zu Boden; es klang fast wie Musik. Vielleicht war dies schon der Auftakt zu Wolffs ganz eigener Nocturne, die sich jetzt aus ihm zu lösen begann, um den Weg in ihr Ohr zu finden.
Natürlich hätte sie Wolff auch kurzerhand erschießen oder auf sonst eine plumpe Weise aus dem Weg schaffen können. Aber es ging zum einen nicht allein um ihn, sondern auch um das, was er im Haus versteckt hatte; und zum anderen hatte sie mehr als genug Aufsehen erregt. Ein Fehler, das wusste sie selbst, ohne dafür gerügt worden zu sein; Gefallsucht war der Grund dafür gewesen, Gefallsucht gegenüber dem einen Menschen auf der Welt, dem sie eben gefallen wollte. Auch weil er der Einzige sein mochte, der an jemandem, wie sie es war, Gefallen finden könnte. Sie hoffte, dass der Versuch nicht das Gegenteil bewirkt hatte – und sie konnte sich nur bemühen, diesen Lapsus durch fortan besseres, gewissenhafteres, rationaleres Arbeiten auszugleichen.
Abgesehen von all dem jedoch – war es nicht einfach auch schöner, so zu arbeiten, anstatt mit einer Pistole, einem Präzisionsgewehr, einem Messer oder Klavierdraht?
Natürlich bestand ein Restrisiko, dass Wolff nicht in den Flammen umkommen würde. Doch auch für den Fall war sie gewappnet. Sie brach zu ihren Missionen oft mit mehr Ausrüstung auf, als ein Soldat mitnahm, wenn er in den Krieg zog. Schließlich musste sie bisweilen die Arbeit einer ganzen Armee tun.
Im nächsten Augenblick stockten ihre Gedanken, ihr Blick blieb hängen wie an einer Hürde, die sich ihm in den Weg stellte.
Jemand war auf die Straße gelaufen.
Nicht
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