Das Prometheus Mosaik - Thriller
dringen zu lassen, konzentrierte sich darauf, keinen Laut von sich zu geben, nur um irgendetwas zu haben, auf das er seine Gedanken fokussieren konnte.
Ein Körper mit zwei Köpfen …
Noch einmal streckte er, so gut es ihm möglich war, die Hände ins Feuer, bis sein Schmerzensschrei kaum mehr zurückzuhalten war. Dann rollte er herum, auf den Bauch, die Hitze des Bodens an der Wange spürend. Seine Armmuskeln wurden hart vor Anstrengung. Es klappte – das Klebeband ließ sich noch weiter dehnen, brannte sich zugleich auch in seine Haut, aber der Triumph überwog den Schmerz.
Mit zwei Gesichtern – und anderthalb Köpfen …!
Unter ihm ertönte ein Donnern, wie ein auf dem Kopf stehendes Gewitter, in dem das ganze Haus erbebte. Irgendwo im Haus musste eine Decke nachgegeben haben und eingestürzt sein. Das war nun ein für alle Mal der Anfang vom Ende.
Das Beben verebbte. Das Donnern nicht. Es dröhnte auf Theo zu. Und alles zusammen beschwor Eindrücke herauf, bildhafte wie fühlbare, die ihn bisher allein im Schlaf heimgesucht hatten. Jetzt überfielen sie ihn zum ersten Mal in wachem Zustand, zerrten ihn aus der Gegenwart zurück in die Vergangenheit, in die Kindheit, die damals fast ihr Ende gefunden haben musste – so wie sein Leben es heute finden würde.
Es war ein merkwürdiger Traum, in dem er kaum noch Luft bekam.
Er erinnerte sich eines fürchterlichen Sonnenbrands, glühender Hitze zwischen Sand und Stein.
Explosionsartiger Schmerz, der ihn erfasste, als ihm die Haut vom Rücken gerissen wurde.
Der Geruch von verbranntem Fleisch, das sein eigenes war.
Der Schmerz wurde noch tausendmal schlimmer, fraß sich tief in ihn hinein.
Um ihn herum nichts anderes mehr als Flammen, hinter denen sein Zimmer verschwunden war.
Mein Zimmer …
An das konnte Theo sich nicht erinnern.
Seltsam …
Irgendwo neben ihm tickte ein Wecker. Als zähle er die Sekunden herunter, die Theo noch blieben.
Ein Ruf – sein Vater!
Aber er ruft ja gar nicht …
Dumpfe Schläge, ein Dröhnen, wie es jetzt den Boden unter ihm erzittern ließ und unter dem damals die Zimmertür nachgegeben hatte.
Hinter den Flammen bewegte sich ein Schemen, der für Theo jetzt zum ersten Mal ein Gesicht bekam – oder es war dies das erste Mal, da jenes Gesicht sich ihm auch einprägte.
Es war sein eigenes. Oder diesem sehr ähnlich.
So wie Paul Finn mir ähnlich sieht …
Das Feuer brüllte auf wie ein wütendes Tier, wollte einen Moment lang, wie es schien, nicht ihn verschlingen, sondern einzig den Sauerstoff, der zwischen die Flammen gefahren war. Durch das Fenster, das jetzt auf einmal offen war – und durch das jemand hereinstieg, eine dunkle Gestalt, die er damals für den Tod, den Sensenmann gehalten hatte.
Rührte daher sein absonderlicher Eindruck, im OP – in hoffnungslosen Fällen – oft den wartenden Tod zu sehen?
Heute erkannte er die Gestalt als das, was sie auch damals schon war, gewesen sein musste.
Seine Rettung.
Wäre er sonst heute hier?
Dass er sich heute täuschte, sich damals jedoch nicht getäuscht hatte, wurde ihm bewusst, als der Feuerwehrmann sich zu ihm herabbeugte und die Arme nach ihm ausstreckte. In dem Moment, als er das Gesicht hinter der Schutzmaske erkannte. Damals hatte sich schließlich eine Ohnmacht über ihn gelegt, warm und alles von ihm fern haltend. Heute kam eine solche Ohnmacht nicht. Wohl aber ein ohnmächtiges Gefühl. Dieses Gefühl, ganz ohne Macht zu sein, weckte in ihm allerdings eine Kraft, die nur für eine Situation wie diese aufgespart schien.
Theo glaubte, unter der schlagartigen Freisetzung dieser Kraftreserve zu explodieren.
***
Wolff war sich selbst der Nächste. In diesem Punkt hatte er sich nie etwas vorgemacht. Im Gegenteil, alles, was er je getan hatte, war im Hinblick auf sein eigenes Wohl geschehen. Oder, besser gesagt, auf seinen eigenen Wohlstand. Auch den Erben war er – in erster Linie jedenfalls – aus genau diesen Gründen beigetreten. Dabei war er sich wohl bewusst gewesen, dass er entgegen ihrem eigentlichem Kodex gehandelt hatte – ein Kodex, den er Stück für Stück außer Kraft gesetzt hatte, um sie in eine neue Zeit zu führen, für diese neue Zeit zu wappnen, wie er behauptet hatte – und das war gar nicht einmal gelogen gewesen.
Heute wusste er, dass dies der Anfang vom Ende gewesen war. Er bezweifelte jedoch nicht, dass es so oder so mit den Erben zu Ende gegangen wäre, wobei das, wie er sich jetzt eingestand, durchaus eine Lüge gewesen
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