Das Prometheus Mosaik - Thriller
Mannes bewegt und ihn zu sich gewunken, während die grünen Augen flehend und fast leuchtend zu ihm herauf geschaut hatten …
Der Aufprall schien Theo die Beine in den Oberkörper treiben zu wollen. Seine Lungenflügel waren auf einmal leer, die Luft mit einem Pfeifen durch seinen Mund entwichen. Nicht einmal einen Schmerzenslaut brachte er mehr zustande.
Es sah aus, als rolle er sich ab, um dem Aufprall die ärgste Wucht zu nehmen; der Eindruck täuschte. Theo fiel schlicht und ergreifend hin und blieb erst einmal drei, vier Sekunden lang liegen, in denen er einfach darauf wartete, wieder einatmen zu können. Als es ihm endlich gelang, schien ihm die heiße, rauchdurchsetzte Luft wie der reinste Sauerstoff.
Eine Hand legte sich um seinen Unterarm. Theo drehte den Kopf. Sein Blick fiel auf das Gesicht des Mannes, dann auf das, was ihm dicht unterhalb des Kehlkopfs aus dem Hals ragte: die blutige Spitze eines Spießes, eines Bruchstücks der Treppe, die dem Mann, wie Theos geübtes Auge erkannte, auf fast unmögliche Weise von hinten ins Kreuz gedrungen war, sich zwischen den Rippen und durch die Lunge schräg nach oben gebohrt hatte und am Hals wieder ausgetreten war.
Theos erster Gedanke war, und er schämte sich dessen nicht, dass dieser Mann ihm keine seiner Fragen beantworten würde – weil er nichts mehr sagen konnte. Selbst die bloße Bergung aus dem brennenden Haus und den Transport in ein Krankenhaus würde er nicht überleben. Theo konnte nichts weiter tun, als ihm Beistand zu leisten, in den letzten Sekunden seines Lebens, die sich höchstens noch zu einer Minute addieren würden, bei ihm zu bleiben, damit er nicht allein sterben musste. Darauf hatte er sich noch nie verstanden. Yash konnte das gut; für Theo hingegen war die Beziehung zu einem Patienten in dem Moment zu Ende, wo er alles Menschenmögliche umsonst versucht hatte.
Und doch fiel es ihm jetzt leicht, einfach nur hier zu hocken, neben diesem sterbenden Mann, den er nicht kannte, noch nicht einmal dessen Namen, von dem er nicht mehr wusste, als dass er in seinem Leben – und in Katharinas, in Pauls und wer weiß, in wessen Leben noch – irgendeine Rolle gespielt haben musste.
Diesem Augenblick wohnte etwas spürbar Entscheidendes inne. Theo fühlte etwas in sich aufbrechen, wie ein Samenkorn, aus dem im Zeitraffertempo ein Keim spross, der zu etwas heranwuchs, das auf der Stelle Wurzeln schlug, die sich unausreißbar in ihm verankerten.
Vielleicht hätte dieser Augenblick noch angedauert, hätte er ihm noch mehr und Deutlicheres enthüllt, aber der Mann schloss die Hand um Theos Unterarm fester, wollte etwas sagen, was nur ein blutiges Röcheln wurde, während er die andere Hand zu bewegen versuchte. Theo brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass der Mann sich in die Hosentasche fassen wollte.
»Soll ich …?«, fragte er.
Beethoven nickte. Sein Gesicht verzog sich unter grässlichem Schmerz, als sich dabei der Spieß, auf dem er steckte, leicht bewegte.
Theo griff in die Tasche des Mannes. Seine Finger fanden einen Schlüssel. Die andere Hand des Mannes ließ Theos Unterarm los, suchte und fand dessen Hand, die den Schlüssel hielt, umfasste sie und schloss sich mit ihr zur Faust. Noch einmal begegneten sich ihre Blicke. Und Theo sah in den fast unnatürlich grünen Augen des Fremden einen erkennbar befriedigten und auch hoffnungsvollen Ausdruck, den er nicht verstand.
»Was ist das für ein Schlüssel?«, wollte er wissen.
Der Mann winkte ab. Er ließ Theos Hand los, wies an ihm vorbei.
Was mochte das heißen?
Sollte er in die angezeigte Richtung gehen? Gab es dort etwas, das dieser Schlüssel aufsperren würde? Einen Fluchtweg?
Aber sie waren im Keller …
Theo schaute dem Mann wieder ins Gesicht. Dessen Blick ging jetzt nach oben, und seine Augen weiteten sich. Ein schrecklicher Laut platzte aus seinem Mund, dazu ein neuerlicher Blutschwall.
Theos Blick folgte unweigerlich dem des Mannes, und er sah, was diesen so erschrak.
Der massive Rest der in Flammen stehenden Treppe war justament in Bewegung geraten. Er kippte nach unten, blieb kurz hängen; für Sekunden sah es so aus, als könnte man die Stufen jetzt hinaufgehen und in Sicherheit gelangen.
Der Eindruck verging.
Der Treppenrest löste sich vollends und stürzte herab.
***
U NTER W IEN , UNTERDESSEN
Fio lief um ihr Leben. Das Peter Mratschek ihr nehmen wollte. Weil Döberin es ihm befohlen hatte. So einfach war das. Und doch so unmöglich zu
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