Das Prometheus Projekt
Organ, in dem ihr Bewusstsein gelebt hatte, existierte nicht mehr. Wenn man in ein Computergehäuse eine neue Festplatte einbaute, weil die alte Platte defekt war, waren alle Daten verloren, oder doch nicht?
Es machte ihn verrückt, wenn er darüber nachdachte. Er nahm Eve bei der Hand und erhob sich. „Komm, wir müssen weiter“, sagte er atemlos.
Sieliefen an der Bruchkante der Schlucht entlang nach Norden. Adrian behielt dabei immer die östliche Seite des Grabens im Blick. Während der Abhang neben ihren Füßen senkrecht zwanzig Meter in die Tiefe fiel, stiegen die Felsen auf der gegenüberliegenden Seite sehr viel flacher an. Zwischen den Felsbrocken wuchsen Kiefern, Buchen und eine Menge kleine Büsche. Irgendwo musste es eine Stelle geben, an der sie den Kamm erreichen konnten, ohne gesehen zu werden.
Und dann endete der Weg. Der letzte Orkan hatte eine Reihe großer Fichten aus dem durchweichten Hang gehebelt und wie riesenhafte Mikadostäbe über den Pfad geworfen. Ihnen blieb keine andere Wahl, als den bewaldeten Hang empor zu klettern und das Hindernis zu umgehen. Eve beklagte sich nicht. Sie jammerte kein einziges Mal und vertraute Adrian blind. Er begann sich zu fragen, wer von ihnen am meisten einstecken konnte. Die Wunden auf seiner Brust brannten wie Feuer und der Streifschuss an der Hüfte schmerzte bei jeder Bewegung, er spürte eine tiefe Erschöpfung nahen. Eve dagegen schien über unerschöpfliche Reserven zu verfügen.
Der Sturm hatte eine Schneise der Verwüstung durch den Fichtenwald geschlagen. Sie mussten die Stelle weiträumig umgehen und verloren kostbare Zeit. Adrian kletterte den rutschigen Hang hinauf, Eve blieb zum ersten Mal hinter ihm zurück. Er blickte sich um und blieb mit dem Bogen im dichten Unterholz hängen. Kopfüber stürzte er den Abhang auf der anderen Seite hinab und landete mit der Nase in einem Laubhaufen.
„Bleiben Sie liegen, Dr. Sykes. Nehmen Sie die Hände über den Kopf und rühren Sie sich nicht!“
Adrianhob langsam den Kopf. Er war in einen der alten Bombentrichter gefallen. Auf der anderen Seite der muldenförmigen Vertiefung stand ein untersetzter Mann und richtete eine Waffe auf ihn.
Von einem Moment zum anderen waren ihre Chancen gleich null. Das Spiel war aus. Er kam dem Befehl nach und hob langsam die Hände.
„Aufstehen!“, schnauzte der Mann.
Adrians Bogen war nur Zentimeter von seiner Hand entfernt, aber er hätte genauso gut auf dem Grund des Pazifiks liegen können. Aufmerksam musterte er den stämmigen Mann. Das war keiner von Wilsons Männern.
„Umdrehen!“, befahl er.
Adrian spürte tastende Hände an seinem Körper, die ihn nach Waffen absuchten. „In Ordnung. Hände oben lassen! Drehen Sie sich ganz langsam um. Und dann lösen Sie noch langsamer den Bogen von Ihrem Gürtel und werfen ihn auf den Boden.“
Der Mann kam ihm bekannt vor, irgendwo hatte er ihn schon einmal gesehen. Er war etwa ein Meter fünfundsiebzig groß, sein Gesicht war vom Alter zerfurcht und erinnerte an einen chinesischen Faltenhund. Der Kopf saß tief auf dem breiten Stiernacken. Seine Hände hielten eine Walther P99, eine Polizeiwaffe. An seiner Kleidung haftete Laub, so als sei auch er in diesen Trichter geplumpst. Mit der linken Hand rieb er sich dauernd den Nacken.
„Machen Sie den Bogen los! Wird’s bald?“, befahl Sehner. Adrian löste zögernd den Compound-Bogen und blickte über die Schulter des Kommissars. Auf dem Rand des Loches tauchte Eve auf, Laub raschelte unter ihren Füßen. Sie erstarrte, als sieSehner sah. „Bitte helfen Sie uns“, sagte sie. „Hilfe!“
Sehner fuhr überrascht herum und starrte sie entgeistert an. Adrian reagierte sofort. In einer fließenden Bewegung ließ er den Köcher fallen, legte einen Pfeil auf die Sehne und spannte den Bogen. „Ich denke, so was nennt man Patt!“, sagte er kalt.
Sehner drehte den Kopf und blickte auf die Pfeilspitze. Der Compound-Bogen war eine tödliche Waffe und mindestens so gefährlich wie seine Schusswaffe. Bestenfalls gingen sie beide drauf. „Was geht hier vor, Dr. Sykes?“
„Gegenfrage: Wer sind Sie?“
Sehner nannte seinen Namen und Dienstgrad.
Adrian erinnerte sich jetzt an den Mann. Er war im letzten Jahr mehrere Male in seiner Praxis gewesen.
„Lassen Sie meine Frau und mich gehen, und finden Sie es heraus. Fragen Sie am besten den Verrückten, der uns auf den Fersen ist“, sagte er. Mit einer Kopfbewegung deutete er Eve an, zu ihm herüber zu kommen.
„Ihre
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