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Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Ilisch
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Bücher waren kostbar. Immer. »Märchen und so.«
    Der Blick, den Blanche mir zuwarf, als sie endlich von mir abließ, war kalt. »Wir brauchen keine Märchen«, sagte sie. »Märchen sind etwas für … für gewöhnliche Leute.« Es kam mir vor, als habe sie erst etwas anderes sagen wollen. Menschen, vielleicht? Ich fragte nicht nach. Stattdessen entließ ich Blanche aus ihrem Gefängnis und machte die Geheimtür, die nur von einer Seite eine war, wieder hinter uns zu.
    Als wir die Treppe zum ersten Stock hinaufstiegen, wusste ich, dass ich Blanche jetzt bis auf weiteres wieder am Hals hatte. Mit Rufus sprechen? Das konnte ich erst einmal vergessen. Am nächsten Tag vielleicht, oder wenn Blanche schlief oder es mir gelang, sie in den Kleiderschrank zu sperren. Das würde ich tun, wirklich, ich schreckte vor nichts zurück. Und ich ahnte, dass Blanche sich dort deutlich wohler fühlen würde als in der Bibliothek.
    »Ich kann dir ein Geheimnis verraten, wenn du mir auch etwas verrätst«, sagte ich in verschwörerischem Ton. Ich hatte nicht vor, Blanche irgendwas zu erzählen, was sie nicht schon längst wusste, aber ich wollte sie dazu bringen, dass sie mir sagte, was ich hören wollte. Vielleicht vergaß sie darüber mein eigenes Angebot einfach wieder. Man durfte doch wohl noch hoffen …
    Zumindest schien Blanches Blase deutlich solider zu sein als meine, oder das Mädchen hatte den ganzen Tag über nichts getrunken. Als ich damals in der Bibliothek eingesperrt war, hatte ich nichts Besseres zu tun gehabt, als mich hinterher auf dem schnellsten Weg zu erleichtern, aber Blanche, trotz ihres feudalen Wasserklosetts, ließ sich vor ihrem Spiegel nieder und fing an, sich das Haar zu richten. Von mir aus. Dann nahm ich eben so lange ihr Klosett.
    »Was willst du denn wissen?«, fragte Blanche, als ich zurückkam. »Ich erzähle dir alles, wahre Freundinnen haben keine Geheimnisse voreinander.« Ihr Lächeln war ebenso süß wie falsch, und ich wusste, sie würde den Teufel tun und mir die Wahrheit verraten über sich, Rufus, Violet, die Puppen – aber vielleicht konnte ich sie auf dem falschen Fuß erwischen.
    »Weißt du, warum Violet so empfindlich auf den Namen Janet reagiert? Und auch auf Margaret?« In dem Moment, als sie mich ohrfeigte, hatte mich Violet ein einziges Mal hinter ihre Maske blicken lassen, und ich ahnte, dass hierin der Schlüssel lag, die ganze Geschichte zu lösen. Kurz hatte ich Angst, dass auch Blanche bei den Namen die Fassung verlieren würde, aber sie lachte nur.
    »Ach, das ist nur eine dumme alte Geschichte! Violet hatte einen Mann, mit dem … Nun, an dem ihr Herz sehr hing, du weißt schon, wie ich das meine. Und diese beiden Hexen – Schwestern waren das, eine schlimmer als die andere – haben Violet ihren Tam … ihren Tom weggenommen. Das ist alles. Darum mögen wir ihre Namen nicht mehr hören. Es ist schon lange her, aber es hat Violet das Herz gebrochen.«
    »Das Heim, aus dem ich komme, heißt St. Margaret’s«, sagte ich.
    »Und ich wette, sie hat keinen Fuß hineingesetzt, hab ich recht?« Blanche lachte so silbrig, dass man nicht sagen konnte, ob es nun echt war oder gespielt. »Aber wenn du vor Violet in Sicherheit sein willst … sprich diese Namen nie wieder aus.«
    Ich seufzte und nickte. Es hing also nicht mit den Puppen zusammen. Irgendwie schade, dass es zu dem Rätsel so eine banale Auflösung gab. Ich versuchte, mir Violet als junge Frau vorzustellen, und fragte mich, wie lang das her sein mochte. Ich hatte keine Ahnung, wie alt sie war. Aber das würde ich sie ganz bestimmt auch nicht fragen.
    Nachts lag ich dann in meinem Bett, und vielleicht weil ich mich wunderte, wie es sein konnte, dass ich schon wieder den ganzen Tag nichts gegessen hatte, hatte ich einen Traum, in dem ich splitterfasernackt unter einem Schleier aus Gaze lag, und Blanche kam und fütterte mich mit grünen Trauben. Sie waren groß wie Pflaumen und süß und berauschten stärker als Wein, und trotzdem konnte ich nicht aufhören, davon zu essen, und verlangte eine nach der anderen. Während mein Verstand davonschwamm, dass er fast am anderen Ende des Traumes herauskam, hatte ich wieder dieses seltsame Gefühl, Blanche schon gekannt zu haben, lange bevor sie mir vorgestellt worden war. Es war etwas an der Art, wie sie mich umarmte. Wie konnte mir diese Berührung nur so vertraut sein, als hätte ich sie eben noch an meinem Herzen gespürt?
    Und dann, ob im Traum oder schon wieder im Wachen,

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