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Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Ilisch
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ihn verliebte, dann konnte die den Kampf mit der Feenkönigin aufnehmen, um Tam Lin zu befreien, weil die Liebe mächtiger ist als aller Feenzauber. Zum Glück hatte er die Möglichkeit, zumindest für kurze Zeit aus dem Feenreich zu entwischen, damals lagen die Welten noch so dicht beieinander, dass er leicht in die Menschenwelt gelangen konnte, in den Wald von Canterhaugh. Der Lord dort hatte zwei Töchter, Janet und Margaret, und Tam –«
    »Warte!«, fuhr ich ihn an. »Das hast du gerade nicht wirklich gesagt, Janet und Margaret!«
    »Bitte«, sagte Alan, »lass mich ausreden. Ich wusste, dass du die Namen wiedererkennen würdest. Aber du willst die Geschichte ganz hören, nicht wahr?«
    Ich nickte, knetete meine Hände unter der Bettdecke und versuchte, an mich zu halten, als Alan weiterredete.
    »Tam Lin versuchte bei beiden sein Glück. Er war sehr verzweifelt und wollte nicht nur auf eine Frau setzen, die Zeit lief ihm davon. Bei Janet hat es geklappt, sie hat sich sofort unsterblich in ihn verliebt, und sie hätte sicher alles für ihn gegeben. Aber Margaret … Ich glaube, er dachte, er hätte keine andere Wahl, aber was er dann gemacht hat …« Alan schüttelte den Kopf und brauchte einen Moment, um sich die richtigen Worte zusammenzusuchen. »Er hat ihr Gewalt angetan«, sagte er schließlich. »Er wusste, sie liebte ihn nicht, aber er muss sich gedacht haben, wenn sie sein Kind erwartet, würde sie einen Grund haben, für ihn zu kämpfen.«
    Mir wurde schlecht, als ich das hörte. Wirklich, ich konnte mich nicht entscheiden, wer schlimmer war: die Feen oder Tam Lin. In meinen Augen hatte der Kerl es verdient, zehnmal dem Teufel geopfert zu werden. »Und?«, fragte ich verächtlich. »Hat sie ihn gerettet?« Ich hätte ihn eiskalt sitzenlassen. Und wenn ich Margarets Schwester gewesen wäre, ebenso. Wenn er Janet schon in der Hand hatte, warum noch Margaret …?
    »Sie haben ihn gerettet«, sagte Alan, »und die Geschichten, die man sich heute davon erzählt, die ganzen Lieder, die sind alle sehr romantisch. Aber Tam Lin war zu weit gegangen, und seine Zukunft, nachdem er der Feenkönigin entkommen war, war kurz und nicht gerade schön.«
    »Sie haben ihn umgebracht?«, fragte ich, vielleicht ein wenig zu blutrünstig, aber ich gönnte es diesem Kerl wirklich von ganzem Herzen.
    »Als Margarets Kind zur Welt kam«, sagte Alan, ohne auf meine Frage einzugehen, »konnten sie seinen Anblick nicht ertragen, und sie haben es ausgesetzt. Es sollte leben, aber nicht bei ihnen, die sie beide so sehr verletzt worden waren. Tam Lins Sohn wuchs auf, ohne etwas über seine Herkunft zu wissen, bis ausgerechnet die Feen ihn aufstöberten. Tam Lins Geschichte war bei den Feen genauso zur Legende geworden wie bei den Menschen, aber natürlich keine, auf die sie stolz waren. Die Feenkönigin, so sagt man, soll außer sich vor Zorn gewesen sein – aber wenn du eine Fee bist, gibt es keine schlechten Geschichten, und alles, was dazu führt, dass die Menschen über euch reden und an euch glauben, ist am Ende letztendlich gut. Die Feen, höhnisch, wie sie sind, erzählten dem Jungen alles – sicher waren sie auf ihre Art glücklich, welches Schicksal Tam Lin ereilt hatte –, um sich an seinem Entsetzen zu ergötzen. Aber stattdessen schwor der Junge, sein Leben dem Kampf gegen die Feen zu weihen. Und das hat er getan, und sein Sohn nach ihm, und dessen Sohn, und so weiter –«
    »Bis zu dir, nicht wahr?«, sagte ich. »Du bist ein Nachfahre von Tam Lin?« Ein bitterer Geschmack stieg in mir auf, ein ganz bitterer. »Weiß … weiß Violet davon?« Das war eine einfachere Frage, eine viel einfachere als: » Heißt das, Violet ist …? «
    Alan lachte. »Nein, sie ahnt nichts davon, natürlich! Glaubst du, ich hätte hier einfach so als Hausbursche anfangen können, wenn sie gewusst hätten, dass ich ein Feenjäger bin? Dass ich nur auf den richtigen Moment warte, um ihnen das Handwerk zu legen?« Dann wurde er wieder still. »Aber bei dir habe ich mich zu weit aus dem Fenster gelehnt. Ich wusste nicht, wie viel du weißt, und als du dich mir anvertraut hast … da habe ich gemerkt, ich bin zu weit gegangen.«
    Ich nickte mit zusammengekniffenen Lippen. »Wie Tam Lin«, sagte ich. Ich fühlte mich schmutzig, benutzt. Dass dieser Mann jetzt auf meiner Bettkante saß, als könne er kein Wässerchen trüben … Ich war doch nicht dumm. Hatte er mir nicht gerade direkt ins Gesicht gesagt, dass er sich nur mit mir

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