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Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Ilisch
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hinter Sally durch das Haus zu laufen, eine völlig andere hingegen, allein unterwegs zu sein. Hatte ich Hollyhock bei meiner Ankunft noch einladend gefunden, war es mir nun nicht geheuer. Es roch fremd, die Bodendielen knarzten unheilvoll unter meinen Füßen, und es war dunkel und unheimlich. Durch keine Tür fiel Licht auf den Flur, und ich traute mich nicht, nachzusehen, ob sie hier Elektrizität hatten oder das Haus mit Gaslampen oder Kerzen erleuchteten. Ich schlich durch das Dämmerlicht im zweiten Stock, eine schmale Treppe hinunter, dann noch leiser durch den ersten Stock. Einen Augenblick lang war ich froh, als ich auf der Treppe in die Halle war, bis ich begriff, dass sie offen war und mich nach allen Seiten verwundbar machte.
    Die Halle war leer. Ich hatte gehofft, dass die Molyneux’ vielleicht dort auf mich warteten, oder dass zumindest der Butler oder Sally oder jemand anderes vom Personal dort war, um mir zu sagen, wo ich hingehen musste, aber niemand war da. Da ich auf Zehenspitzen ging, hörte mich auch niemand kommen, der sonst vielleicht angelaufen wäre, um mich in Empfang zu nehmen. Zumindest war die Halle hell; durch die Fenster links und rechts der Tür fiel rosiges Licht herein. Es täuschte aber nicht darüber hinweg, dass der Teppich auf der Treppe ausgeblichen und von vielen Füßen zertreten und fadenscheinig war; und der Steinboden unten in der Halle mochte noch so sauber glänzen, er hatte rissige Stellen, die vom Zahn der Zeit erzählten. Ich kannte die Geschichte von Hollyhock nicht, aber sie musste ebenso lang wie spannend sein.
    Nun gut. Wenn niemand da war, konnte ich mich ebenso gut umschauen. Fünf Türen, abgesehen von der nach draußen, die ich schon kannte, gingen von der Halle ab: jeweils zwei kleinere an den Seiten und die große Doppelflügeltür, hinter der ich den Salon vermutete oder einen Ballsaal. Keine war geöffnet, aber das hieß nicht, dass ich nicht daran lauschen konnte. Schließlich musste ich herausfinden, wo Milady war, wenn sie mich schon sehen wollte. Es war zu still in der Halle. Selbst das Geräusch meines eigenen Atems schien irgendwo zu verschwinden, bevor es meine Ohren erreichte. Ich konnte mein Herz hämmern spüren, aber auch das fühlte sich an, als ob ich es hätte hören müssen. Lautlos glitt ich zur ersten Tür, links vom Eingang, bereit, mein zartes Ohr gegen das ehrwürdige dicke schwarze Holz zu drücken, als ich plötzlich Schritte hinter mir hörte – nicht auf der Treppe, sondern näher, in der Halle selbst. Dabei hätte ich schwören können, dass sich keine der Türen geregt hatte.
    Ich fuhr herum, froh, dass es in Sachen Lauschen nur beim Plan geblieben war und man mich nicht mit heißen Ohren erwischt hatte – ich rechnete mit dem Butler, aber stattdessen war es Mr. Molyneux, der dort stand und mich sehr durchdringend ansah. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich nicht sagen konnte, welche Augenfarbe er hatte, weil ich es nicht schaffte, ihn direkt anzublicken. Aber die dringlichste Frage in diesem Moment war: Wo kam er so plötzlich her? Ich verdächtigte ihn ja schon seit der Geschichte mit der Puppe, irgendwie zaubern zu können. Nun wuchs dieser Verdacht langsam zur Überzeugung.
    »Ich sehe, du bist angekleidet«, sagte er. »Das hat lange gedauert. Meine Schwester erwartet dich bereits.«
    Ich nickte. »Ich wusste nicht, wo ich sie finden kann«, sagte ich entschuldigend und war erstaunt, wie meine Stimme hallte – sie klang so fremd, wie ich in dem neuen Kleid aussah.
    »Ich bringe dich zu ihr«, sagte Mr. Molyneux fast freundlich. Sein Haar glänzte im Licht, wirkte dadurch aber nur noch schwärzer. Jetzt, wo man ihn besser erkennen konnte als in der trüben Umgebung des Waisenhauses oder der dunklen Kutsche, musste ich sagen, dass ich noch nie einen derart blassen Menschen gesehen hatte. Selbst ich musste neben ihm rosig wirken, und wäre er ein Bestatter gewesen, er hätte ständig in Bewegung sein müssen, damit seine Lehrjungen ihn nicht irrtümlich einsargten. Aber ob ich vor ihm nun Angst hatte oder doch vielmehr in Wirklichkeit begeistert von ihm war, konnte ich nicht sagen. Vermutlich beides. Dunkle Fremde gehörten für mich in Schauerromane oder süße Romanzen, in erfundene Geschichten, aber etwas Dunkleres und Fremderes als ihn konnte selbst die wildeste Vorstellungskraft nicht hervorbringen.
    Er durchquerte die Halle, ging zu der Tür rechts hinten, und ich folgte ihm. Ein Flur kam dahinter zum Vorschein, von dem

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