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Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Ilisch
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hörte eine Stimme, die so vertraut war, dass mein Herz vor Freude einen Hüpfer tat.
    »Suchst du etwas, Florence? Kann ich dir helfen?«
    »Alan.« Ich zwang mich zu flüstern, aus Angst, wenn ich seinen Namen zu laut rief, von den Falschen gehört zu werden.
    »Derselbe«, sagte Alan und lachte zufrieden. »Und du, was suchst du?«
    »Dich natürlich«, zischte ich. »Dummkopf.«
    Ob Alan immer noch so gute Laune haben würde, wenn ich ihm verriet, was ich in der Zwischenzeit getan hatte?
    »Wenn du mich suchst, bin ich für dich da«, sagte er. »Ich beobachte das Haus den ganzen Tag und die halbe Nacht lang, mal von innen, mal von außen. Ich hab in dem Baum da gesessen, als ich dich zur Kapelle hab gehen sehen, aber ich dachte, vielleicht wolltest du ja nur beten.«
    Dass er ausgerechnet jetzt unsichtbar sein musste … Ich sehnte mich danach, meine Arme um ihn zu schlingen, mich ihm an den Hals zu werfen und zu heulen. Aber ehe ich mich bäuchlings ins Gras warf, weil ich Alan um einen Meter verfehlte, beherrschte ich mich doch lieber. »Können wir irgendwo hingehen?«, flüsterte ich. »Irgendwo, wo wir reden können?« Und noch etwas leiser fügte ich hinzu: »Und bitte, mach dich wieder sichtbar!«
    »So einfach ist das nicht«, antwortete Alan leise. »Das ist nichts, was ich einfach so an- und ausmachen kann wie eine Kerze; ich habe den Zweig im Schuh und muss ihn erst wieder rausholen, und ohne Schuhe kann ich nicht gut wegrennen, wenn mich doch jemand sieht.«
    »Das ist mir egal«, zischte ich. Für lange Erklärungen hatte ich nun wirklich keinen Kopf. »Sag einfach, wo wir hingehen sollen, und sieh dann zu, dass du sichtbar wirst.«
    Ich hörte Alan seufzen. Aber was ich auch versuchte, ich konnte ihn wirklich nicht sehen, weder mit der einen Sicht noch mit der anderen.
    »Ich kann dir den Eingang zum Irrgarten zeigen«, sagte er dann. »Er ist versteckt, aber das sollte für dich ja kein Hindernis mehr sein, oder?«
    Ich nickte. »In den Irrgarten, dann.« Ohne noch eine Antwort abzuwarten, machte ich mich auf den Weg. Alan konnte mich sehen, dann sollte er mir halt folgen. Mein Stolz gebot mir, den Eingang diesmal von selbst zu finden.
    Tagsüber sah der Park mit Feenaugen nicht anders aus als mit menschlichen, und der Irrgarten machte da keine Ausnahme. Die Hecken waren inzwischen sauber gestutzt, und wo der Garten seine Wildheit eingebüßt hatte, gefiel er mir nun weniger als vorher, das konnte auch das Blütenmeer allüberall, in dem blühte, was Lust hatte, nicht mehr wettmachen. Aber auch wenn ich keine leuchtenden Pfade mehr sehen konnte, fand ich jetzt endlich den Eingang zum Irrgarten: Er war bestimmt zwei Meter breit und gekrönt von einem Bogen aus geflochtener Eibe. Wie ich ihn jemals hatte übersehen können, verstand ich selbst nicht mehr – aber als ich versuchsweise auf meine Menschensicht umschaltete, war er tatsächlich fort.
    »Erklär mir das!«, herrschte ich Alan an. »Du bist nur ein Mensch, warum kannst du dann den verborgenen Eingang sehen?« Vielleicht war ich neidisch.
    Es dauerte eine Weile, bis Alan antwortete, dann sagte er: »Du hast › nur ‹ gesagt.« Als ich schwieg, sprach er irgendwann weiter: »Ich kann die Illusionen der Feen durchschauen. Das ist alles; es ist nur eine Täuschung.«
    Aber warum sollten die Feen den Eingang zum Irrgarten verbergen? Ich war darin gewesen, so bemerkenswert war das Innere nicht, keinen Zauber wert. Trotzdem, als ich nun durch den grünen Bogen trat, fühlte ich mich seltsam – irgendwie erhaben. Einen Moment lang zumindest. »Ab hier musst du mir den Weg beschreiben«, murmelte ich. »Ich habe keine Lust, mich zu verlaufen.«
    Geduldig erklärte mir Alan, wo ich abzubiegen hatte, und ich ging schneller, weil ich loswerden wollte, was ich zu sagen hatte; es brannte auf meiner Zunge und konnte kaum mehr abwarten, endlich hinauszudürfen. Aber wenn wir wirklich in Sicherheit sein wollten, musste ich warten, bis wir in der Mitte angekommen waren – ich durfte keinerlei Risiko eingehen, und dann musste ich auch einmal fünf Minuten meinen Mund halten können. Auf die kam es nun auch nicht mehr an.
    Trotzdem kam es mir wie eine Ewigkeit vor, bis wir endlich das Herz des Irrgartens erreicht hatten, den Platz, wo wir damals gepicknickt hatten, und immer noch sah ich keinen Grund, warum jemand den Irrgarten hätte tarnen sollen. Vielleicht hatte es ganz profane Gründe, dass sich die Dienstmädchen heimlich hineingeschlichen hatten

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