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Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Ilisch
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und von selbst nicht mehr herausgefunden. Ich musste nicht jedes Geheimnis aufklären. Nicht jetzt, zumindest.
    Dann, endlich, wurde Alan sichtbar. Er hockte am Boden, einen Schuh in der Hand, und als er mich ansah, war sein Gesicht ernst. »Es ist etwas passiert, nicht wahr, Florence?«
    Ich nickte, und dann brach alles aus mir heraus: von den Seelen und der Seide und dem Feuer und wie Rufus mich gezwungen hatte … Aber es war das Feuer, das wirklich Alans Aufmerksamkeit eroberte.
    »Du hast es gesehen?«, fragte er, plötzlich ganz aufgeregt. »Du weißt, wo es ist?«
    Ich nickte. Natürlich, mir war bewusst, dass das Feenfeuer wichtig war, aber wichtiger als die Seelen?
    »Das heißt, dass sie das Haus zu einem Außenposten des Feenreiches gemacht haben«, erklärte Alan. »Dieser Raum, in dem es brennt, existiert in beiden Welten gleichzeitig. Wenn sie hier ein Feenfeuer haben, können sie von Hollyhock aus auch Portale aufmachen und so viel von ihrer Brut nachholen, wie sie wollen. Sie machen hier nicht nur Station – sie sind hier, um zu bleiben.«
    Ich zuckte die Schultern. Das wusste ich schon längst, und nicht nur wegen des Feuers. »Sie fackeln jetzt nicht mehr lange«, sagte ich. »Sie sind wild entschlossen, mich zu einer Fee zu machen. Sie wollen, dass ich vergesse, wie es ist, ein Mensch zu sein – angeblich, weil ich davon glücklich werden soll.«
    Alan lachte bitter. »Lass dich nicht bequatschen«, sagte er. »Weißt du, warum sie das in Wirklichkeit wollen? Damit sie dich besitzen können. Als Mensch bist du ein Untertan Seiner Majestät. Du hast Bürgerrechte –«
    »Was für Rechte?«, schnaubte ich. Ich war ein Findelkind, obendrein noch eine Frau – wo sollte ich da irgendwelche Rechte hernehmen? Egal, wie alt ich werden würde, ich durfte nicht das Parlament wählen noch meinen späteren Beruf noch meinen Ehemann … »Schon gut«, sagte ich dann. Es war ja nicht Alans Schuld. Er sollte weiterreden.
    »Du bist frei«, sagte Alan. »Du gehörst Gott und dir selbst. Aber wenn sie dich ganz zur Fee machen, bist du ihre Leibeigene. Sie binden dich an ihren Haushalt, für alle Ewigkeit, und du kannst nichts dagegen tun.«
    Ich nickte abwesend. So groß war der Unterschied zu einer normalen Dienstmagd auch wieder nicht. Und ich würde schon noch dafür sorgen, dass sich die Feen ihre Zähne an mir ausbissen – so schnell machten sie keine von ihnen aus mir. Aber in diesem Moment ging es mir nicht um mich. Mir ging es um die Seelen, ganz konkret um drei, die nicht sterben sollten. »Alan, ich brauche deine Hilfe«, sagte ich. »Kannst du das Grundstück verlassen? Ich muss drei von den Puppen aus dem Haus schmuggeln, und ich kann das nicht ohne dich. Ich will sie irgendwo hinbringen, wo keine Fee hinkommen kann.«
    Alan schüttelte den Kopf. »Wenn ich Hollyhock verlasse, kann ich es nie wieder betreten«, sagte er. »Ich würde dir gerne helfen, aber ich kann nicht für drei Puppen riskieren, dass ich meinen Beobachtungsposten hier verliere. Ich bin so nah an den Feen wie keiner der anderen Jäger, die ich kenne, und wenn ich es schaffe, sie hier auf ihrem eigenen Grund und Boden zu besiegen –«
    »Es geht nicht um irgendwelche dummen Puppen«, fiel ich ihm ins Wort. »Es geht um drei Menschenseelen, die sonst umgebracht werden.«
    Alan sah mich an, streckte den Arm aus und fuhr mir mit dem Finger über die Wange. »Ich weiß, das klingt hart«, sagte er, »und grausam, aber wenn ich den Feen keinen Einhalt gebiete, dann stehen noch viel, viel mehr Seelen auf dem Spiel.«
    Einen Moment lang sagte keiner von uns etwas, ich schluckte schwer, um den Kloß in meiner Kehle loszuwerden und nicht vor Frust und Wut wieder zu weinen anzufangen.
    »Ich mache dir einen Vorschlag«, sagte Alan. »Ich kann sie an mich nehmen, deine drei Puppen, und sie so verstecken, wie ich mich versteckt habe. Dann arbeiten wir daran, dich aus dem Haus zu bekommen, außer Reichweite der Feen, und wenn du frei bist, nimmst du die Puppen mit und bringst sie in eine Kirche. Dann kannst du dir sicher sein, dass keine Fee ihnen jemals wieder etwas tun kann. Du willst doch sowieso weg von hier, nicht wahr?«
    Ich nickte. Je länger ich blieb, desto schneller würde ich mich in eine Fee verwandeln, ob ich wollte oder nicht, bis nichts mehr von mir übrig war. »Danke«, sagte ich mit belegter Stimme, »das ist sicher schon mal besser als nichts.«
    »Wo sind sie jetzt?«, fragte Alan.
    »Ich habe sie unter den Sofakissen

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