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Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Ilisch
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versteckt«, sagte ich. »Mir ist kein besserer Ort eingefallen.« Ich griff nach dem Zimmerschlüssel, um ihn Alan zu zeigen, und erstarrte vor Schreck. Der Schlüssel steckte nicht hinter meinem Strumpfband. Mir wurde übel. In Gedanken verfolgte ich meinen ganzen Weg durch den Garten rückwärts, überlegte fieberhaft, wo ich ihn verloren haben konnte. Ich hätte doch gemerkt, wenn er sich gelöst hätte, und selbst wenn, hätte er doch nicht zu Boden fallen können, sondern wäre in meinen Strumpf gerutscht … Bis ich mich endlich wieder erinnerte. Der Schlüssel hatte überhaupt nicht in meinem Strumpfband gesessen, als ich hinauslief. Er steckte immer noch friedlich in der Tür des Puppenzimmers, wo ich ihn zurückgelassen hatte. Ich war aus dem Zimmer gerannt, eilig – und ohne abzuschließen.

Siebzehntes Kapitel
    Ich glaube nicht, dass ich in meinem ganzen Leben jemals schneller gerannt war als in diesem Moment, und dann auch noch im Zickzack! Ich stürmte aus dem Irrgarten und hatte noch nicht einmal die Zeit, mich daran zu erfreuen, dass sich meine Füße – anders als mein Kopf – offenbar den Weg hinaus gemerkt hatten; ich wusste instinktiv, wo ich wie abbiegen musste. Alan lief hinter mir her, einen Schuh in der Hand und auf einem Bein hüpfend – als er mich rufen hörte: »Ich muss zurück zum Haus!«, musste er wohl gedacht haben, er hätte noch Zeit, um sich wieder unsichtbar zu machen, aber darauf konnte ich nicht warten. Es war eine Frage von Sekunden, das Schlimmste vielleicht noch zu verhindern. Wenn Rufus entdeckte, dass ich das Puppenzimmer mitten am Tag unverschlossen gelassen hatte …
    Als ich am Haus ankam, sah ich Alan nicht mehr. Es war mir egal, ob er noch hinter mir war, nur unsichtbar, oder ob ich ihn irgendwo im Garten verloren hatte – in diesem Augenblick zählte nur, rechtzeitig zum Puppenzimmer zu kommen. Fieberhaft versuchte ich, mir ins Gedächtnis zu rufen, ob ich den Schlüssel innen stecken gelassen hatte, wo er wenigstens nicht auffiel, oder ihn vor aller Augen außen in der Tür vergessen hatte – was mich buchstäblich den Kopf kosten konnte. Ich rannte die Kellertreppen hoch, rutschte über den Hallenboden, als könne ich es nicht erwarten, mir den Hals zu brechen, und war froh, dass mir Rufus nicht über den Weg lief. Ich sah den Butler in der Halle, und er blieb stehen und sah mich mit schräg gelegtem Kopf an, aber er sagte nichts, und dann war ich auch schon wieder verschwunden in dem Flur, der zum Puppenzimmer führte. Schon von weitem sah ich, dass die Tür geschlossen war, und der Schlüssel steckte nicht im Schloss, zumindest nicht außen.
    Die letzten paar Meter schlich ich. Wenn Rufus den Schlüssel gefunden hatte und gerade im Zimmer stand, sollte ich besser nicht hineinplatzen, sondern mich lieber ganz schnell in mein Zimmer verkriechen und hoffen, dass ich nicht da war, wenn sich sein Zorn entlud. Dann war sowieso alles zu spät. Doch wenn niemand im Zimmer war … Ich bückte mich und versuchte, durch das Schlüsselloch zu spähen. Wenn ich nichts sehen konnte, weil auf der Innenseite der Schlüssel steckte, einsam und unbeobachtet, dann war alles in Ordnung. Aber der Schlüssel war nicht da. Ich konnte ins Zimmer schauen – nicht so gut, dass ich irgendetwas erkannt hätte, doch gut genug, um zu sehen, dass innen die Kerzen brannten, und wandernde Schatten verrieten mir, dass jemand im Zimmer war. Ich ging davon aus, dass es Rufus sein musste, und wollte mich schon ganz langsam und vorsichtig wieder zurückziehen, als mich ein leises zufriedenes Lachen aufschrecken ließ. Dieses Lachen kannte ich besser, als mir lieb war. Das war nicht Rufus. Es war Blanche.
    Falls ich vorher nicht steif vor Entsetzen war, wurde ich es in diesem Moment. Das Puppenzimmer unversperrt zu lassen, das war schlimm genug, aber dann auch noch zuzulassen, dass Blanche trotz aller Verbote hineinkam … Jetzt war ich wirklich in Teufels Küche, und alles, was ich noch tun konnte, war versuchen, die Fee da so schnell wie möglich wieder hinauszubekommen. Ich riss die Tür auf und trat ins Zimmer mit aller Autorität, die ich aufbringen konnte; die Erfahrungen, die ich in St. Margaret’s mit den Kleinkindern gesammelt hatte, sollten mir jetzt helfen, Blanche zur Räson zu bringen.
    »Blanche!«, zischte ich zornig, aber leise. Autorität hin oder her, ich wollte nicht das ganze Haus zusammenschreien; Rufus wusste offensichtlich noch nicht, dass der Raum unverschlossen

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