Das Puppenzimmer - Roman
Besser war es, zu warten, bis er sein Pulver verschossen hatte, und es dann mit sanfter Geduld zu versuchen. »Bitte, Alan«, sagte ich. »Mach es nicht noch schwieriger für mich, als es ohnehin schon ist. In meinem ganzen Leben ist mir noch nie eine Entscheidung so schwergefallen.« Das war leicht gesagt – in meinem ganzen Leben hatte ich noch nie so eine große Entscheidung treffen müssen. »Aber es ist kein Zauber am Werk, und ich bin so klar im Kopf, wie ich es immer war. Es ist das einzige Richtige, was ich machen kann.«
»Das Richtige?«, schäumte Alan. »Richtig nennst du das? Dein Herz aufgeben, deine unsterbliche Seele? Was glaubst du denn, was dich erwartet? In die Feenwelt werden sie dich nicht lassen, selbst wenn du dir das mehr wünschst als alles andere, also wofür das Ganze? Nur, damit du auf Seiten der Herrschaften stehen kannst und dich nicht mehr mit Dienern wie mir abgeben musst?«
Da schlug ich ihn. Es war nur eine Ohrfeige, aber sicher nicht mehr das, was ich unter sanfter, geduldiger Überzeugung verstand. »Erst einmal«, sagte ich zornig, »ist das meine Entscheidung, meine eigene, und du hast mir da ebenso wenig reinzureden wie irgendeine von den Feen. Ich bin mein eigener Mensch und meine eigene Fee, und du kannst mir keinen Grund nennen, warum ich ein Mensch bleiben sollte, außer, dass du keine Feen magst. Aber du fragst nicht, warum ich es tue oder wie ich mich dabei fühle, du verlangst nur, dass ich das tue, was du willst.«
»Weil ich …«, fing Alan an, und dann war er zum ersten Mal sprachlos. Es war nicht gespielt; er hatte mir so viel vorgemacht, dass ich jetzt erkannte, wann er log und wann er die Wahrheit sagte. »Weil ich dich mag«, sagte er dann. »Sehr, sehr mag. Es ist mir nicht egal, was aus dir wird. Aber wenn du eine Fee wirst – dann verliere ich dich.«
Ich nickte und blickte ihn an. Am liebsten hätte ich gesagt: » Das war die falsche Antwort.« Mögen reichte nicht aus. Ich wünschte mir, er hätte etwas anderes gesagt. Wenn er gesagt hätte, dass er mich liebte … Aber das hatte er nicht. Ich konnte froh darüber sein, auf der einen Seite. Wenn er es nur so dahingesagt hätte, nicht aus Liebe, sondern um mich zu halten, dann hätte ich ihm das übelgenommen bis ans Ende seines Lebens, das von mir aus dann sehr früh kommen konnte. Dass er mich mochte, glaubte ich ihm. Dass ich ihn mochte, auch. Aber solange ich mich nicht entscheiden konnte, ob das, was ich da für ihn empfand, Liebe war, blieb es sicherlich das Beste, wenn auch Alan mich nur mochte. Es machte die Dinge schwieriger zwischen uns, aber einfacher für mich.
»Entschuldige«, sagte ich. »Ich wollte dich nicht schlagen. Aber ich muss diese Entscheidung wirklich für mich selbst treffen, ehe ich sie noch mehr bereue, als ich das jetzt schon tue. Ich muss es machen, nicht für mich, aber für all die, die in Hollyhock gefangen sind. Die Seelen in den Puppen. Die Zimmermädchen, Tom und Guy, die Köchin, Evelyn, Lucy – wenn ich eine Fee bin, habe ich die Kraft, sie alle zu erlösen. Als Mensch kann ich nur zusehen, aber nichts tun. Darum.«
»Du willst dich opfern?«, fragte Alan, teils entsetzt, teils vielleicht auch bewundernd.
Ich schüttelte den Kopf. »Es ist kein Opfer für mich«, sagte ich. »Wenn ich dabei sterben würde, könntest du es vielleicht ein Opfer nennen, aber ich werde noch da sein. Ich werde noch nicht einmal eine andere Person sein als jetzt, weil schon die, als die du mich kennst, Mensch und Fee in gleichem Maße ist. Habe ich mich so sehr verändert, seit ich begonnen habe, als Fee zu erwachen? Es kommt einfach langsam das heraus, was ich schon immer war. Wir können Freunde bleiben, wenn du über deinen Hass auf Feen hinauswachsen und mich trotzdem akzeptieren kannst. Ich habe dir nichts getan; noch nicht einmal die anderen Feen haben dir etwas getan, sie waren gemein zu irgendeinem Vorfahren von dir, aber das ist so lange her, dass seine Geschichte jetzt als Märchen erzählt wird. Wenn du mich magst, wenn du wirklich mich magst, dann nimm mich als das an, was ich bin. Dann kann dir egal sein, ob ich nun ein Mensch bin oder zufällig eine Fee.«
Ich klang sehr glaubwürdig und zuversichtlich und staunte, wie glatt mir das über die Lippen ging. Die Wahrheit war, ich hatte entsetzliche Angst davor, plötzlich eine andere zu sein. Ein Spiegelbild zu haben, das ich nicht wiedererkannte. Auszusehen, wie Rufus durch den Schein des Feenfeuers ausgesehen hatte. Aber
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