Das Puppenzimmer - Roman
enthielt, trank er es in einem Zug leer, langte quer über meine Picknicktafel und schenkte sich nach. Ich sah ihm ungläubig zu. Als wir damals hier zusammengesessen und den Wein getrunken hatten, den er den Feen stibitzt hatte, hatte er nur ein wenig daran genippt und kleine Schlucke genommen, weil er doch noch zu arbeiten hatte – jetzt stürzte er meinen feinen Wein so grimmig hinunter, als ob er damit allen Zorn der Welt hinunterspülen wollte.
Ich konnte nur hoffen, dass er mir etwas übrig ließ. Ich hatte nicht vor, mich wirklich zu betrinken, aber ich erinnerte mich an dieses gemütliche schwindelige Gefühl – das wollte ich noch einmal erleben: klar genug im Kopf, um zu wissen, was ich tat, und gleichzeitig mit dieser wohligen Wärme im Bauch, kurz bevor sie einem die Zunge rausstreckte und sich in Übelkeit verwandelte. Hoffentlich vertrug Alan mehr als ich. Ich wollte ihn nicht auf dem Weg durch das Labyrinth stützen müssen, wenn ich eigentlich als Fee würdevoll mein Königreich abschreiten sollte.
Erst versuchte ich noch, ihm Einhalt zu gebieten, indem ich betont langsam trank und mich auf meine Pastetchen konzentrierte, die wirklich sehr köstlich geraten waren. Ich hätte mich persönlich bei der Köchin bedankt, wenn sie noch die Alte gewesen wäre, aber ich nahm an, dass sie jetzt nicht mehr viel damit anfangen konnte. Dafür war sie endlich glücklich in Hollyhock, umgeben von freundlichen Feen, die sie verehrte …
»Ist alles in Ordnung, Alan?«, fragte ich vorsichtig.
Alan schnaubte, und ich begriff, dass die gute Laune, mit der er zum Picknick erschienen war, nur aufgesetzt war und nicht lange hatte halten sollen. »In Ordnung? Du wirst gleich eine Fee, und du fragst mich, ob alles in Ordnung ist?«
»Wir haben darüber gesprochen.« Obwohl mir nicht danach war, spielte ich Florence, die Stimme der Vernunft. »Jetzt mach es mir nicht schwerer, als es ist. Nicht nachdem ich mir solche Mühe gegeben habe …« Bei den letzten Worten erstarb meine Stimme, und ich fühlte Tränen in meine Augen steigen. Ich wollte nicht ausgerechnet jetzt vor Alan losheulen, also versteckte ich mein Gesicht hinter meinem Weinglas. Meines war ein viel spektakuläreres Picknick, aber bei seinem hatte man sich wenigstens wohl fühlen können.
Wir entspannten etwas, als die Wirkung des Weines einzusetzen begann. Alan entschuldigte sich bei mir und ich mich bei ihm, auch wenn ich nicht wusste, wofür, aber ich wollte, dass wir uns wieder gut waren. »Das ist unser letzter Tag zusammen«, sagte ich. »Vielleicht. Ich weiß nicht, was morgen wird. Aber heute – heute will ich dich gernhaben dürfen.«
»Das darfst du auch«, sagte Alan versöhnlich. »Und du sollst wissen, dass ich dich auch immer gernhaben werde.« Ich glaubte es ihm nicht. Wenn ich einmal eine Fee war, würde er allen Grund haben, mich zu hassen. Ich sah, wie er den Flakon mit dem Feenwein ansah, als wäre er ein bösartiges kleines Tier, das nur darauf wartete, mich zu beißen und mit einer todbringenden Krankheit zu infizieren. Ich nahm das Fläschchen, setzte es hinter mich, damit Alan es nicht mehr sehen musste, und wunderte mich dabei, wie schwer es plötzlich zu wiegen schien. Und so klein es auch war, es schien seinen Schatten über die ganze Picknicktafel zu werfen.
Unsere Gespräche wurden danach nicht vergnügter, und auch das wohlige Gefühl, auf das ich mich gefreut hatte, wollte sich nicht einstellen – stattdessen ballte sich in meinem Magen ein Groll zusammen, der mich drückte und ärgerte. Ich rutschte etwas näher an Alan heran, um etwas dagegen zu unternehmen. Wenn ich noch mal seine Hand auf sein Bein legte …
»Pass auf!«, sagte Alan. »Du wirfst deinen Feenwein um!«
Ich grinste grimmig. »Das dürfte dich doch nur freuen.«
Alan schüttelte den Kopf. »Nein, ich weiß, so einfach ist das nicht …« Plötzlich klang er nicht mehr wütend, nur noch traurig. »Eigentlich bewundere ich dich für das, was du machst. Oder besser, wofür du es machst. Ich hatte selbst nie eine solche Wahl, ich bin ein Feenjäger geworden wie jeder Mann in meiner Familie vor mir, und keiner hat mich gefragt – aber du machst das, was du für richtig hältst, und vielleicht ist es wirklich das Richtige.« Und da, plötzlich, hielt ich seine Hand in meiner.
Es war nicht mehr viel von dem roten Wein da, also teilte ich den Rest auf unsere beiden Gläser auf. Ich wusste nicht genau, wie viel davon jetzt Alan getrunken hatte und wie
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