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Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Ilisch
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Vergessen finden würde, das ich ihm gönnte wie jedem anderen Menschen.
    Während ich durch den Irrgarten zum Haus ging, blickte ich an mir hinunter. Mein Kleid war zerknittert und schmutzig – wer immer auf die Idee gekommen war, dem Mädchen Weiß anzuziehen, hatte sich zu früh auf mich gefreut. Das dumme Ding hatte nichts damit anzufangen gewusst und wäre mit einem Sack genauso gut bedient gewesen, auch wenn ich mich wirklich nicht gefreut hätte, in einem Sack zu erwachen …
    Ich stieg die Treppe zur Vordertür hinauf und betätigte den Klingelzug. Niemand konnte erwarten, dass ich wie das Mädchen durch den Dienstboteneingang kroch, und wofür hatte das Haus einen Butler?
    Es dauerte eine Weile, bis mir aufgetan wurde. Ich wusste, dass Rufus auf Trent große Stücke hielt, und der Mann hatte sicherlich Qualitäten, die ihn zum idealen Diener eines Feenhaushalts machten, aber schnell auf den Beinen war er nicht. Und als er nun vor mir stand und versuchte, auf mich hinunterzublicken, obwohl ich größer war als er und wir beide das wussten, merkte ich, dass er sich auch nicht gerade beeilt hatte, um auf mein Klingeln zu reagieren.
    »Sie haben mich warten lassen«, sagte ich.
    Seine Augen verengten sich – natürlich, das Mädchen war das eine oder andere Mal frech zu ihm gewesen. Keine Person, die eine Fee in sich barg, würde jemals dazu in der Lage sein, vor einem Menschen entwürdigend am Boden zu kriechen, aber dreist sein war eine Sache und das Recht darauf zu haben, eine andere. Sie hätten Trent sagen sollen, dass sie mich erwarteten. So schien er überlegen zu müssen, was mit mir zu tun war.
    »Warum lassen Sie mich nicht einfach eintreten«, schlug ich vor, »und geben einem der Mädchen Bescheid, damit es Miss Molyneux meldet, dass ich sie zu sprechen wünsche?« Dabei sollte eigentlich ein Blick aus meinen Augen schon ausreichen, um ihm zu sagen, dass ich vom gleichen Schlag war wie seine Herrschaften, und auch genauso zu behandeln. Einen König erkennt man nicht an seiner Krone, sondern daran, dass sich die Menschen vor ihm verneigen. So ist es auch mit Feen.
    Wieder musste ich warten, und sicher wäre es einfacher gewesen, direkt in den Salon zu marschieren und nach Violet zu verlangen, aber von mir konnte man erwarten, dass ich das Protokoll einhielt. Ich hatte zu wissen, wer Violet war, und wusste es auch, selbst wenn ich weiterhin von ihr nur als Violet denken wollte. Sogar das Mädchen hatte es sich ganz alleine zusammengereimt. Insgesamt war ich doch zufrieden mit ihm. Ich konnte mir nur nicht vorstellen, dass es und ich die gleiche Person gewesen sein sollten. Dominiert von einer menschlichen Seele, hatte ich nur machtlos zusehen können, was das Mädchen tat, bis ich endlich erwachen durfte – erst nur gerade so viel, dass ich mich mit Mühe bemerkbar machen und den einen oder anderen Gedanken in ihren Kopf pflanzen konnte, später dann mehr, und nun endlich ganz. Die Zeit menschlicher Herrschaft war vorbei.
    Violet lächelte huldvoll, als sie mich sah. Ich musste nichts mehr erklären. Sie hatte erwartet, dass ich an diesem Tag als ich selbst vor ihr stehen würde, und da war ich nun. Das war nichts, was das Mädchen ihr hätte vorspielen können. Ich war Fee. »Da bist du nun also«, sagte Violet.
    Ich verneigte mich. »Ich entschuldige mich, dass es derart lang gedauert hat«, erwiderte ich. »Ihr wisst, wie halsstarrig das Mädchen war.«
    Violet schmunzelte. »Sie hat gute Arbeit geleistet«, sagte sie. »Hätte sie mich enttäuscht, ich hätte sie niemals so lange gewähren lassen.«
    Sollte ich ihr jetzt sagen, dass sich das Mädchen hinter ihrem Rücken mit einem Feenjäger angefreundet hatte, der sie und Rufus ohne Zögern im Schlaf ermordet hätte? Vielleicht ja, vielleicht konnte ich den Teil mit der Freundschaft etwas herunterspielen und dafür betonen, dass ich einen Feenjäger aus Tam Lins verfluchter Sippe ganz allein unschädlich gemacht hatte – aber das sollte ich mir für einen Moment aufsparen, wo ich es einmal gebrauchen konnte. Keinen Vorteil verspielen, wenn dieser später noch nützlich sein konnte. Besser Violet nicht mit der Nase darauf stoßen, dass sie und Rufus blind oder verblendet diesen Burschen selbst in ihr Haus geholt hatten …
    »Ich habe sie gut geleitet«, sagte ich. Ich musste sofort klarstellen, dass ich keine Bittstellerin war und auch nicht wie eine zu behandeln.
    »Und weißt du jetzt, wer du bist?«, fragte Violet. »Du kennst deinen

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