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Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Ilisch
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einen Seite der Feenwein, den ich von Violet bekommen hatte – eine kleine Phiole, die mehr wie ein Parfümfläschchen aussah als etwas, woraus man trinken konnte. Ich war erleichtert, was für eine kleine Menge ausreichen sollte: Was war, wenn ich es mir mittendrin anders überlegen sollte und ich nicht austrank? Blieb ich dann irgendwo in der Mitte hängen? Mit diesem bisschen konnte mir das nicht passieren. Und dann war da natürlich der andere Wein, der richtige, den Alan und ich vorher gemeinsam trinken würden. Auch er sah prachtvoll aus, umgefüllt in zwei Karaffen aus Kristall, die so richtig etwas hermachten und zu den Gläsern passten. Der, den wir zuerst trinken würden, war von wunderschönem dunklem Rot, und er sollte gut zu dem Fleisch in den Pasteten passen. Der zweite war mehr golden als weiß und für die Süßspeisen gedacht – auch wenn ich nicht wusste, ob Alan Süßes mochte oder hellen Wein. Wir würden es sehen. Ein Glas musste er trinken, schon meinetwegen. Der goldene Glanz war doch unwiderstehlich!
    Als alles so aufgebaut war, wie es mir gefiel, setzte ich mich hin und wartete. Dreimal stand ich noch auf und rückte Sachen zurecht, die mir an ihrem Platz doch nicht so gut gefielen. Ich fragte mich, ob ich uns schon ein Glas Wein einschenken sollte, und entschied mich dagegen, weil ich nicht wollte, dass am Ende eine Fliege hineinfiel, immerhin waren wir im Freien. Dann zupfte ich an meinem Kleid herum und versuchte, ganz und gar bezaubernd auszusehen, so wie die Frauen auf dem Kupferstich. Ein wenig eitel war ich ja schon – eigentlich wollte ich nach der Verwandlung genauso aussehen wie vorher, um mich im Spiegel noch wiederzuerkennen, aber von mir aus konnten doch ein paar richtige Locken in meinen Haaren erscheinen, und etwas dunkler sollten sie ruhig auch werden. Welche Fee wollte schon mausiges Haar haben, das sich für keine Farbe so recht entscheiden konnte?
    Die Zeit verging, die Sonne stieg den Himmel hinauf und trocknete den Tau von den Eibenhecken um mich herum, aber wer nicht erschien, war Alan. Ich ärgerte mich, stellte mir vor, dass er unsichtbar längst neben mir saß und mich auslachte, und schenkte dann doch zwei Gläser ein. Wenn Alan glaubte, mich von meinem Plan abbringen zu können, indem er einfach nicht kam, hatte er sich geschnitten. Dann machte ich eben doch ein Picknick mit Blanches Geist daraus. Oder zumindest mit ein paar Fliegen. Aber gerade, als ich vorsichtig meinen ersten Schluck nehmen wollte, hörte ich ein Geräusch, das mich aufschrecken ließ.
    Einen Moment lang glaubte ich fast, der Gärtner oder ein anderer von Rufus’ Männern habe mich verfolgt – das konnte ich mir fast besser vorstellen, als dass Alan doch noch auftauchen sollte, aber dann hörte ich sein vertrautes Lachen. »Aber, aber!, Milady«, sagte er scherzend, »wollt Ihr denn etwa ohne mich anfangen?«
    Ich setzte mein würdevollstes Gesicht auf und drehte es in die Richtung, in der ich Alan vermutete. »Wenn Milord sich nicht an die einfachsten Termine erinnern kann«, erwiderte ich und fragte mich kurz, ob ich in Zukunft wirklich so reden musste. Durfte eine Fee noch klingen wie ein Waisenmädchen aus Whitton, das sich seine Bildung in der Leihbücherei zusammengetragen hatte?
    »Schon gut«, sagte Alan, »darf ich mich setzen?«
    »Bitte sehr«, erwiderte ich. »Du siehst, wo dein Platz ist.«
    Dann sagte ich erst einmal gar nichts mehr. Eigentlich hätte jetzt alles perfekt sein müssen – Alan und ich im Sonnenschein, bei einem perfekten Picknick, ich hatte nichts dem Zufall überlassen, und doch bekam ich plötzlich furchtbare Bauchschmerzen, die in meinen Plänen nicht vorgesehen waren.
    »Ich weiß«, sagte Alan. »Wir können jetzt so tun, als ob, aber …«
    »Ich habe Pastetchen«, unterbrach ich ihn kläglich. »Ein paar davon sind mit Wildbret. Hast du schon mal Wildbret gegessen? Weißt du, wie das schmeckt?« Ich musste die perfekte Gastgeberin spielen, schon um dieses drückende Schweigen zu füllen.
    »Ganz ruhig«, sagte Alan. »Trink deinen Wein, dann kannst du vielleicht etwas entspannen.«
    »Jetzt schon?«, flüsterte ich und griff unwillkürlich nach dem kleinen Fläschchen, das neben mir stand. Es wurde nicht besser davon, dass Alan mich auslachte.
    »Nein, den, den du dir schon eingeschenkt hast. Wo er schon mal da ist.« Dann nahm er sein eigenes Glas, und statt zu bewundern, aus was für schönem Kristall es gemacht war oder was für einen edlen Tropfen es

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