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Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Ilisch
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mache mir Sorgen, wenn du die trinken willst.« Es war das erste Mal, dass ich das Wort » Sorgen « aus Violets Mund hörte. »Auch wenn du weißt, dass Feen unsterblich sind – du darfst nicht absichtlich deinen Körper in Gefahr bringen. Und wenn du mit deiner zarten Gestalt so viel Wein trinkst, kann dich das umbringen.«
    Ich nickte. »Ich weiß«, sagte ich. »Ich will das auch gar nicht trinken. Also, ein bisschen schon.« Ich fühlte meine Wangen brennen, als ob ich Violet gerade erklärt hätte, dass ich vorhatte, mich aufs scheußlichste zu betrinken. »Aber ich möchte, dass es nach etwas aussieht. Ich möchte so tun, als ob.«
    »Schon gut«, sagte Violet und winkte ab. »Solange du ihn nicht alleine austrinkst, kannst du mit dem Wein machen, was du willst. Zwei Flaschen, drei Flaschen, was immer du möchtest, der Keller ist voll damit.«
    »Zwei Flaschen«, sagte ich. »Das habe ich mir so überlegt. Wenn das in Ordnung geht …«
    Und so hatte ich dann tatsächlich alles beisammen, was ich für meinen großen Tag brauchte.
    Die Sonnenstrahlen kitzelten mich schon früh am Morgen aus dem Bett, der Himmel war so blau und klar, dass ich mich weit aus dem Fenster lehnte, um zu sehen, ob das schöne Wetter sich auch über die Grenzen von Hollyhock hinaus erstreckte oder nicht doch nur ein Feenzauber war. Regen hätte mir meine schönen Pläne ruiniert, aber ich nahm die Sonne als Zeichen dafür, dass selbst Gott damit einverstanden war, was ich tun wollte. Er hätte eingreifen können, wenn ihm etwas daran lag, dass ich ein Mensch blieb, aber so sah es für mich aus, als wollte er mir die letzten Schritte auch noch leichter machen.
    Ich schwänzte das Frühstück an diesem Tag. Nachdem mir Violet den Feenwein gegeben hatte, sollten sie und Rufus mich erst wiedersehen, wenn ich ihn auch getrunken hatte, damit sie keine dumme Bemerkung darüber machten und ich es mir im letzten Moment doch noch anders überlegte. Stattdessen trug ich stolz meinen Korb in den Irrgarten. Er war ziemlich schwer; nicht das Essen wog so viel oder der Wein, sondern die große Tischdecke, die uns als Unterlage dienen sollte. Aber ich hatte ein Bild von einem Picknick vor Augen, das ich einmal auf einem Kupferstich gesehen hatte, so prachtvoll und festlich, und seitdem wusste ich, wenn ich einmal selbst ein Picknick veranstalten würde, dann sollte es mindestens so großartig aussehen.
    Erst vergewisserte ich mich, dass der Boden trotz des Morgentaus trocken genug war, und breitete dann das Tischtuch aus. Darauf kamen zwei Sofakissen – sie gehörten nicht zu Violets Sofa, sondern mussten irgendwann einmal aussortiert worden sein, jetzt sollten sie ein letztes Mal das Tageslicht sehen. Sie waren blassrosa, das Tischtuch dunkelviolett – beides sah zusammen sehr schön aus, und als Fee wollte ich doch auch etwas fürs Auge haben. Die beiden Kerzenständer stellte ich besonders sorgfältig auf – der Boden war uneben genug, um sie, wenn sie an der falschen Stelle standen, kippeln zu lassen, und ich wollte einen wundervollen Tag erleben, keine Feuersbrunst, die mich und Alan in einem brennenden Irrgarten einsperrte.
    Ich hatte vier Teller aus Porzellan, zwei große und zwei kleine, und erst beim Auspacken merkte ich, dass mir Mrs. Arden bestimmt mit Absicht welche gegeben hatte, in denen schon ein Sprung oder eine Macke war. Für diese Teller war schon einmal einem ungeschickten Lakaien oder einer tölpeligen Scheuermagd Lohn abgezogen worden, aber solange das Porzellan noch irgendwie zu gebrauchen war, wurde es auch nicht weggeschmissen. Es sollte mir recht sein. Ich mochte es, wenn die Dinge nicht ganz perfekt waren. Für den Wein hatte ich zwei Gläser bekommen, feinstes Kristall, das im Sonnenlicht glitzerte wie Brillanten. Wirklich, Violet hatte mich ernst genommen in meinem Wunsch, einen feierlichen Abschied von der Menschheit nehmen zu wollen. Ich war ihr dankbar dafür. Was hätte sie getan, wenn sie gewusst hätte, dass ich sie von vorne bis hinten belogen hatte? Vielleicht nichts. Ich glaubte, dass zumindest Rufus die wahren Hintergründe von Blanches Tod kannte, aber es schien ihm egal zu sein, weil es nichts mehr geändert hätte. Oder weil Feen einfach vieles gleichgültig war, worüber Menschen sich lange aufgeregt hätten … Ich sorgte mich nicht deswegen. Wenn der Tag vorbei war, sollte ich auch zu den ewig Glücklichen gehören, und ein wenig freute ich mich sogar darauf.
    Der Schlüssel dazu war der Wein. Auf der

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