Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Ilisch
Vom Netzwerk:
alles Blut ins Gesicht geschossen, hätten meine Wangen nicht auch so schon geglüht. Ich starrte auf meine Füße und sagte lieber gar nichts mehr.
    »Du warst im Garten«, sagte Rufus. Auch das noch, wenn ich es geschafft hatte, wieder ein Kleid zu ruinieren … »Und du warst nicht alleine. Wer war bei dir?«
    Ich schwieg tapfer. Alan hatte versprochen, mein Geheimnis nicht zu verraten, und ebenso würde ich mich hüten, Alan jetzt zu verpetzen. Er konnte seine Stelle verlieren, auch ohne dass jemand erfuhr, was ich ihm erzählt hatte. Rufus konnte versuchen, die Wahrheit aus mir hinauszuprügeln, ich würde standhaft bleiben …
    Doch Rufus dachte nicht daran. »Geh in dein Zimmer«, sagte er kalt. »Schlaf deinen Rausch aus. Wir reden ein andermal darüber.« Ich atmete auf, erleichtert, doch so einfach davongekommen zu sein. Bis zum nächsten Tag konnte ich mir eine Ausrede ausdenken, und vielleicht schaffte ich es dann auch, einen Sündenbock zu finden, der mir weniger lieb war als Alan. Aber mein Herz sackte mir in die Knie, als Rufus hinzufügte: »Ich werde Mr. Trent fragen, wer heute seinen freien Tag hatte.«
    Damit entließ er mich. Und ich ahnte, dass ich Alan zum Abschied vielleicht doch besser umarmt hätte. Denn als ich am anderen Morgen aufwachte, mit brummendem Schädel und einem üblen säuerlichen Geschmack im Mund, war der Hausbursche verschwunden. Alan war fort. Und ich konnte nur noch daran denken, dass es meine Schuld war.

Neuntes Kapitel
    Das Frühstück an jenem Morgen war sicherlich das Schlimmste, seit ich nach Hollyhock gekommen war, und selbst wenn ich so weit zurückdachte, wie ich konnte, fiel mir keines ein, das dieses an Beklommenheit übertroffen hätte. Mir war schlecht – nicht einmal so sehr, weil ich am Tag zuvor zu viel getrunken hatte, sondern vor allem wegen meiner Gewissensbisse und der Ungewissheit, was aus Alan geworden war. Ich wusste, es war meine Schuld. Ich hatte zu viel verraten, viel zu viel, und nüchtern betrachtet, hätte ich wohl doch besser ein geheimes Tagebuch geführt, um meine Sorgen loszuwerden, als ausgerechnet meinen besten Freund in die Geheimnisse dieses Hauses einzuweihen. Aber jetzt war es geschehen und konnte nicht rückgängig gemacht werden …
    Mir schwirrte der Kopf, wenn ich an die möglichen Konsequenzen für ihn und für mich dachte, und das machte das eigentliche Katergefühl aus. Das Schlimmste aber war, dass ich nicht darüber sprechen konnte und entsprechend auch keine Fragen stellen. Rufus und Violet saßen still da und taten so, als wäre nichts geschehen. Rufus war bleich und schweigsam wie immer und rührte nichts von den aufgetischten Süßigkeiten an, Violet nippte an ihrem Tee, und keiner von beiden hielt es auch nur für nötig, mich zu schelten für mein ungebührliches Verhalten vom Vortag, bis ich es über mich gebracht hatte, meinen Siruptoast hinunterzuwürgen, und mir wünschte, doch lieber stattdessen die dreifache Menge an Tee haben zu dürfen. Ich wollte mich gerade verabschieden, als Rufus abrupt sagte: »Du wirst von nun an die Mahlzeiten mit uns einnehmen.«
    Ich schwieg lieber. Es war nicht so, dass ich mich über diese Aussicht sehr freute – aber unten in der Küche zu essen und mit jedem Bissen daran erinnert zu werden, dass meinetwegen Alans Platz leer blieb, war genauso schlimm.
    Ich hatte als Erstes nach dem Aufstehen versucht, nach ihm zu sehen und mich sicherheitshalber für den Vortag zu entschuldigen – und ihn zu warnen, dass ich Rufus in die Arme gelaufen war. Aber alles, was ich fand, war der Schrank, in dem tagsüber sein Bett verschwand, und sein Wandschirm, und Mrs. Arden, die mich anschnauzte und sagte: »Wenn du den Jungen suchst, der ist nicht mehr hier.«
    Ich starrte Mrs. Arden an und fragte: »Wie, nicht mehr hier?«, und sie sagte: »Na, weg, fort, was glaubst du, was › nicht mehr hier ‹ bedeutet?«
    Aber dann wollte sie mir keine Fragen mehr beantworten und blieb unnachgiebig, mochte mir keine Adresse verraten und nichts, womit ich Alan hätte finden können – ich wollte ihm doch wenigstens einen Brief schreiben und mich vergewissern, dass mit ihm alles in Ordnung war, auch wenn er vielleicht mit einem Brief wenig anfangen und ihn auch nicht allein beantworten konnte. Irgendwo im Grunde meines Herzens fürchtete ich, dass Alan, da, wo er jetzt war, vermutlich nicht einmal Briefe empfangen konnte … Doch mit Sicherheit wusste ich nichts. Und bis zu dem Moment, in dem Rufus

Weitere Kostenlose Bücher