Das Puppenzimmer - Roman
Gartens kam es mir hier dumpf und dunkel vor, es war muffig, und der Küchengeruch schlug mir bis zur Tür entgegen. Ich schluckte dreimal, in meinem Mund sammelte sich Spucke, aber ich blieb tapfer und übergab mich nicht.
»Pass auf«, sagte Alan. »Ich werde in der Küche gebraucht, und du siehst zu, dass du es heile in dein Zimmer schaffst. Wenn dir Tom oder Guy oder eines der Mädchen über den Weg laufen, ignorier die einfach und tu so, als ob du eine der Herrschaften bist. Die sind so erzogen, dass sie sich dann unsichtbar machen, und keiner von denen wird dich anquatschen. Und wenn Mr. Trent kommt – dem kannst du zunicken, aber du darfst nichts sagen. Kriegst du das hin?«
Ich nickte und fragte mich, warum ich denn nicht reden sollte. Mir war schlecht, und meine Zunge fühlte sich etwas merkwürdig an, irgendwie pelzig, aber die Worte kamen mir immer noch glatt über die Lippen und hörten sich, zumindest in meinen Ohren, völlig normal an. Trotzdem, Alan würde schon wissen, was er sagte. »Ich schaffe das«, sagte ich zuversichtlich. Ich hatte es bis hierher gebracht, dann machten die paar Treppen mir auch nichts mehr aus. Wenn ich mich richtig bewegte, wurde mir auch nicht wieder schlecht. Dann brachte ich es fertig, Alan anzustrahlen. »Weißt du was?«, sagte ich. »Danke!«
»Hattest du trotzdem Spaß?«, fragte Alan.
Ich nickte. Schwindelig oder nicht, das war der schönste Tag, seit ich nach Hollyhock gekommen war – sogar seit ich denken konnte. Am liebsten hätte ich meine Arme um Alan geschlungen, aber wir standen im Haus, jeden Moment konnte jemand vorbeikommen, also nickte ich ihm nur noch einmal zu und machte mich dann auf den Weg nach oben, mit flauem Magen und einem Herzen, das ganz heftig klopfte vor lauter Glück.
Dienstmädchen, Lakaien, Mr. Trent – ich war bereit, wirklich jeden zu ignorieren, der sich mir in den Weg stellen sollte. Aber ob es daran lag, dass wirklich jeder im Haus für die Zubereitung des Festmahls gebraucht wurde – und war es nicht eine Schande, dass auch davon der größte Teil wieder nur an die Schweine gehen würde? –, oder alle anderen auch freihatten, mir lief niemand über den Weg. Es war regelrecht schade, wo ich mir doch solche Mühe gab, mich aufrecht und würdevoll zu halten! Gut, die ersten Stufen erwiesen sich als eine kleine Herausforderung für mich, aber als ich dann einmal in der Halle war und die große Treppe hinaufschritt, hielt ich mich wie eine Eins. Ich musste noch nicht einmal das Geländer benutzen; ich achtete darauf, mich genau in der Mitte der Treppe zu halten, und einen Augenblick lang war ich die Königin dieses Hauses. Niemand war da, um mir mein Reich streitig zu machen, Hollyhock gehörte mir ganz alleine, und ich konnte tun und lassen, was ich wollte. Selbst auf der Balustrade oben an der Galerie konnte ich balancieren, ohne dass mich jemand dabei stören würde. Wann, wenn nicht jetzt?
Einen Moment zögerte ich noch. Etwas in meinem Inneren sagte mir, dass ich nicht so etwas Gefährliches wagen sollte, nachdem ich den ganzen Wein getrunken hatte, aber was war das, hatte ich etwa Angst? Ich bewegte mich doch auch so schon, als stünde ich auf einem Drahtseil, und wenn ich ohnehin darauf achten musste, wie ich den Kopf hielt und wohin ich meine Füße setzte, würde es schon keinen großen Unterschied machen, ob ich dabei auf dem Geländer stand oder nicht. Und verglichen mit meinen Träumen, in denen ich auf einem Spinnenfaden balancierte, war das Geländer lächerlich breit und aus festem Holz, das unter mir nicht zittern oder schwanken würde. Hatte ich mir nicht von meinem ersten Tag in Hollyhock an gewünscht, einmal dort oben entlangzubalancieren? Wozu sonst hatte man solche Galerien? Alles, was noch fehlte, war das Publikum, aber darauf würde ich gnädig verzichten. Ich wusste es besser, als meine Künste vor Rufus oder Violet vorzuführen. Nur für mich, und für mich alleine. Dieser Tag hatte so viel Schrecken gebracht und dann so viel Schönes, und wenn ich mich in mein Zimmer zurückstahl wie ein schuldbewusster Dieb, statt ihn zu einem glorreichen Abschluss zu bringen, tat ich allem unrecht, was Alan für mich auf die Beine gestellt hatte. Ein Fest sollte auch enden wie ein Fest.
Genug gegrübelt. Ich stand oben an der Galerie, blickte hinunter auf die Halle, auf das rosige Licht, das durch die Fenster hereinfiel, und alle Angst und Zweifel waren wie fortgewischt. Um auf das Geländer zu kommen, musste ich mich
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