Das Rachespiel: Psychothriller (German Edition)
Welle über Frank zusammenschwappte, schaltete er schnell sein eigenes Handy ein und leuchtete damit in den Raum. Langsam ging er zur Werkbank und lehnte sich dagegen. Es fühlte sich sicherer an, eine Wand im Rücken zu haben als eine Treppe oder einen der dunklen Gänge.
Während seine Augen zwischen den fast schwarzen Rechtecken der beiden Gänge hin- und herwanderten, dachte er an Beate und Laura. An die Gefahr, in der die beiden schwebten, und daran, wie seine Chancen standen, diese Gefahr abzuwenden.
Er horchte in sich hinein, stellte sich die Frage, was er zu tun bereit wäre, um seine Familie zu retten. Wäre er bereit, alles zu tun? Wirklich alles?
Zwanzig Jahre kannten er und Beate sich nun schon. Fast genauso lange waren sie ein Paar. Er war damals frisch von der Uni gekommen, das Informatik-Diplom in der Tasche, den Kopf voller Visionen. Die Softwarefirma, ein Schweizer Unternehmen mit einer Filiale in Luxemburg, hatte ihn den Arbeitsvertrag schon unterschreiben lassen, während er noch an seiner Diplomarbeit arbeitete. Als er an seinem ersten Arbeitstag von der Personalchefin durch die einzelnen Abteilungen geführt wurde, war ihm die hübsche blonde Frau mit dem sympathischen Lächeln im Controlling gleich aufgefallen. Ihre Blicke hatten sich immer wieder gekreuzt, während der Abteilungsleiter ihn mit den üblich höflichen Floskeln in der Firma willkommen hieß. Eine Woche später waren sie sich auf dem Flur begegnet, tags darauf hatten sie sich in einer Pizzeria gegenübergesessen.
Frank erinnerte sich an die Vertrautheit, die er vom ersten Moment an mit Beate gespürt hatte, an die verrückte Gewissheit, in ihr die Frau gefunden zu haben, mit der er sein Leben verbringen wollte. Sie waren erst wenige Monate zusammen gewesen, als er ihr gegenüber zum ersten Mal von Heirat sprach, und das war ihm ebenso selbstverständlich erschienen wie ihr spontanes Ja.
Bilder aus ihren ersten gemeinsamen Jahren tauchten vor ihm auf. Ihr erster gemeinsamer Urlaub. Drei Wochen mit dem Auto durch Irland, immer an der Küste lang. Sie hatten sich treiben lassen und es unendlich genossen, nicht zu wissen, wo sie am Abend eine Bed-and-Breakfast-Unterkunft finden würden. In einem Plüschzimmer hatten sie übernachtet und Tränen gelacht, als sie die winzige Dachkammer betraten, in der aber auch wirklich alles bis ins kleinste Detail in Rosa gehalten war, selbst die Rüschen der geblümten Tagesdecke. Die gewaschene Unterwäsche hatten sie während der Fahrt auf die Heckablage im Auto zum Trocknen gelegt. Frank konnte sich nicht erinnern, irgendwann zuvor in seinem Leben glücklicher gewesen zu sein als in dieser Zeit. Danach gab es noch viele gemeinsame Momente, in denen er dieses Glücksgefühl empfunden und gespürt hatte, wie herrlich sein Leben, ihr gemeinsames Leben doch war. Der Moment des allergrößten Glücks kam dann ein paar Jahre später mit Lauras Geburt. Als die Hebamme ihm diesen kleinen Menschen in die Arme legte, als er ganz behutsam über die unglaublich winzigen Fingerchen streichelte und den Blick einfach nicht von dem schönsten Gesicht der ganzen Welt abwenden konnte, da hatte er geweint, und er hatte sich seiner Tränen nicht geschämt.
Laura … ihr wunderschönes Lächeln. Sie war noch so jung, so … Ja, verdammt, er würde alles tun, um zu verhindern, dass ihr ein Leid geschah.
Torsten war in vielerlei Hinsicht ein Neandertaler, aber in dem Punkt hatte er recht. Sie waren in dieser Bunkeranlage eingeschlossen, und wie es schien, hatten sie keine Chance zu entkommen. In dieser Nacht konnten im besten Fall zwei von ihnen sich selbst und ihre Familien retten. Letzten Endes würde jeder für sich allein kämpfen müssen. Und die anderen würden das genauso sehen. Was das für die nächsten Stunden bedeutete, wagte er sich gar nicht auszumalen. Torsten schien sich mit ihm verbünden zu wollen. Hätte er ihm sonst den zweiten Kittel gegeben? Im Grunde genommen konnte Frank nichts Besseres passieren, als denjenigen auf seiner Seite zu haben, der zumindest aufgrund seiner körperlichen Voraussetzungen die größten Chancen hatte, sich gegen alle anderen durchzusetzen. Im nächsten Moment schämte er sich für den Gedanken.
Schnell lauter werdende Schritte ließen ihn aufschrecken. Es schien sich nur um eine Person zu handeln. Sekunden später trat Torsten aus dem rechten Gang und kam auf ihn zu. Der schwere Schraubenschlüssel lag nicht mehr in seiner Hand.
14
– 19 : 40 Uhr
»Nichts.
Weitere Kostenlose Bücher