Das Rachespiel: Psychothriller (German Edition)
Dunkelheit, die nur von dem kaum noch wahrnehmbaren gelben Schimmer vor ihm unterbrochen wurde. Was, wenn Torsten recht hatte und dieser Psychopath, dem sie all das zu verdanken hatten, durch die Anlage geisterte auf der Suche nach einem weiteren Opfer, das er niederstechen oder bewusstlos schlagen konnte? Frank dachte an Manu, die bei Jens auf ihn wartete, und setzte sich augenblicklich in Bewegung.
Er erreichte die Gabelung und mit ihr die gelbe Linie und bog ab. Er beschleunigte seine Schritte noch, und seine Gedanken kreisten um Manu. Sie war ihm in den letzten Stunden so manches Mal auf die Nerven gegangen, und es hatte ein, zwei Situationen gegeben, in denen er sie zum Teufel gewünscht hatte, aber sie war die Einzige, die ihm in diesem Bunker noch geblieben war. Wenn ihr nun auch etwas geschehen würde, wäre er ganz allein. Mit Torsten, dem er nicht vertrauen konnte.
Aber was, wenn Torsten tatsächlich die Wahrheit gesagt hatte? Wenn er keine Schuld an dem hatte, was vorgefallen war? Wäre es dann nicht doch besser, ihn zu überreden, sich wieder mit Manuela und ihm selbst zusammenzuschließen, als dass sie dieses elende Spiel gegeneinander spielten?
Frank konnte in diesem Moment nicht darüber nachdenken. Er strauchelte weiter durch den Gang, hier und da spürte er die Berührung eines kleinen Körpers an den Füßen und machte angeekelt einen Schritt zur Seite. Immer wieder musste er anhalten, weil ihm das Atmen schwerfiel und Schmerzen bereitete. Überhaupt gab es kaum noch eine Stelle an seinem Körper, die nicht schmerzte.
Seine letzten Gedanken gingen ihm wieder durch den Kopf, und ihm fiel auf, dass die Sorge um Manuela letztendlich weniger ihr als vielmehr ihm selbst gegolten hatte. Aber er erschrak nicht über diese Erkenntnis.
Diese Nacht veränderte sie alle. Wieder einmal.
Schließlich hatte Frank den Eingang zu dem Raum erreicht, in dem Manuela auf ihn wartete. Er blieb stehen und versuchte, etwas zu erkennen, aber nach zwei Metern wurde alles von der Schwärze verschluckt.
»Manu?« Er wartete auf eine Reaktion, doch selbst der Schall schien von der Dunkelheit aufgesaugt zu werden. »Manu, wo bist du? Antworte doch.« Keine Reaktion, kein Geräusch. Nichts.
Das Einzige, was Frank hörte, war sein eigener Atem. Und sein Puls. Laut, hektisch.
Waren seine Befürchtungen wahr geworden? Hatte jemand nun auch Manu etwas angetan? Frank löste sich aus seiner Starre und setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Mit kleinen Schritten tastete er sich zu der Stelle vor, an der Jens auf dem Boden liegen musste. »Manu?«, versuchte er es ein weiteres Mal, mit dem gleichen Ergebnis wie zuvor. Stille.
Mit dem nächsten vorsichtigen Schritt stieß er gegen etwas Weiches, einen Körper. Sein Herzschlag dröhnte noch eine Spur lauter in seinen Ohren, als er sich langsam bückte, tastete, fühlte … Ein Rücken, eine Schulter, klebrige, halberstarrte Feuchtigkeit … Jens.
Aber wo war Manuela? Auf allen vieren kroch Frank um den reglosen Körper herum und tastete den Boden ab. Als er alles abgesucht hatte, setzte er sich erschöpft neben Jens. Er fühlte sich wie betäubt, sämtlicher Energie beraubt, am Ende. Und die Erkenntnis trieb ihm Tränen der Verzweiflung in die Augen.
Manuela war verschwunden.
26
– 01 : 35 Uhr
Er schloss seinen Einsatzraum im Dunkeln auf. Er wollte nicht riskieren, dass ein Lichtschein ihn verriet. Hinter sich verriegelte er die Tür wieder, dann tastete er auf der rechten Seite nach dem Lichtschalter. Der Einsatzraum war der einzige Ort in der ganzen Anlage, an dem das Licht funktionierte. Alle anderen Lichtquellen hatte er abgeschaltet.
Er nahm sich eine kleine Wasserflasche aus einer Holzkiste an der Wand und ließ sich auf einen der einfachen Stühle fallen. Er war müde. Aber das zählte jetzt nicht. Jetzt zählte nur eins: das Spiel.
Wochenlang hatte er sich darauf vorbereitet. Seit fünf Tagen hielt er sich fast ausschließlich in der Anlage auf. Nun waren es nur noch wenige Stunden, dann würde alles vorbei sein. Bis jetzt war alles reibungslos verlaufen. Fast. Der Stich mit dem Schraubenzieher hätte eigentlich tödlich sein sollen. Aber wie schon beim ersten Versuch im Untergeschoss hatte er auch diesmal nicht richtig getroffen.
Der Hieb in der Krankenstation hingegen hatte genau gesessen und war exakt so dosiert gewesen, dass das Nasenbein brach, ohne dass der Knochen sich nach oben schob, was tödlich hätte sein können. Nein, er wusste, dass es
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