Das Rachespiel: Psychothriller (German Edition)
stoppen. Ich glaube, die Wunde hat jetzt aufgehört zu bluten, aber ich muss sie noch verbinden.«
Jens nickte nur schwach.
Frank ertastete Jens’ Brust und setzte den Anfang des Verbands an. Vorsichtig begann er dann, ihn abzurollen, und hoffte, die schmutzige, schmale Stoffbahn würde lang genug sein. Als er Jens umarmte, um an seinen Rücken heranzukommen, sank dessen Kopf auf seine Schulter. Frank spürte, wie Jens’ Körper langsam schlaffer wurde und immer mehr in sich zusammensank. »Jens, halte durch, bitte.« Die erste Bahn war abgewickelt. »Wir haben es gleich geschafft.«
Der Verband reichte viermal um Jens’ Oberkörper herum, und jedes Mal, wenn Frank die nächste Lage über die Wunde legte, stöhnte Jens auf. Als Frank gerade damit beschäftigt war, das Ende unter den straffen Verband zu schieben, wurde Jens schlagartig so schwer, dass er fast aus Franks Armen gerutscht wäre.
»Jens«, presste Frank unter dem Gewicht hervor. Er bekam keine Antwort. »Jens, kannst du mich hören?« Aber Jens hörte ihn nicht. Er war wieder besinnungslos.
Frank ließ Jens vorsichtig an sich herabgleiten und drehte sich dabei selbst ein Stück, so dass er ihn wieder auf den Boden legen konnte. Dabei durchzog ein derart heftiger Schmerz seine Brust, dass er ihn fast fallen gelassen hätte. Unter Aufbietung aller Willenskraft schaffte er es schließlich, ihn behutsam auf dem Bauch abzulegen. Als er die Arme unter ihm herauszog, kam Jens wieder zu sich. Er sagte etwas, das Frank nicht verstehen konnte. Erst als er es wiederholte, wurde es verständlicher. »Manu«, presste Jens hervor. »Sie ist …« Er keuchte, atmete in kurzen schnellen Schüben. »Manu isss …«
»Ja, ich weiß«, sagte Frank und beugte sich zu Jens hinunter. »Sie ist verschwunden. Weißt du, was geschehen ist? Jens? Wer hat sie mitgenommen? War es Torsten?«
Jens antwortete nicht, er hatte die Augen wieder geschlossen.
Frank ließ sich zurücksinken. Wo mochte Manu in diesem Moment sein? Und wie ging es ihr? War ihr etwas zugestoßen? Hatte man sie auch niedergeschlagen? Oder gefesselt? Geknebelt? Wahrscheinlich, denn Frank war sich sicher, dass Manu sonst geschrien hätte, wenn jemand versucht hätte, sie mit sich zu zerren.
Doch war es wirklich Torsten gewesen, der sie verschleppt hatte? Frank war sich seit seiner Begegnung mit ihm nicht mehr so sicher. Vielleicht griff dieser Irre, der sie hier eingeschlossen hatte, selbst ein, um sie gegeneinander aufzubringen. Was er bisher ja auch zweifellos geschafft hatte.
Aber was sollte, was
konnte
Frank nun tun? Neben Jens sitzen zu bleiben und in die Dunkelheit zu starren würde niemandem helfen, am allerwenigsten ihm selbst und seiner Familie. Aber sollte er Jens wirklich allein zurücklassen und nach Manu suchen? In einer Anlage mit mehreren Stockwerken, von denen jedes einzelne ihm wie ein Irrgarten erschien? Im Dunkeln? Und was war, wenn er sie fand und Torsten war bei ihr? Oder dieser Psychopath?
Frank tastete vorsichtig nach seiner Nase, die ihm jetzt wieder extrem wehtat. Er war mittlerweile ziemlich lädiert, wurde ihm bewusst. Er hatte ein gebrochenes Nasenbein, wahrscheinlich eine oder sogar mehrere gebrochene Rippen. Wie sollte er in dieser Verfassung eine Chance gegen einen Muskelberg wie Torsten haben? Gegen den er selbst in vollkommen gesundem Zustand kaum etwas würde ausrichten können? Oder gegen jemanden, der offensichtlich hochgradig gestört war? Der einen Menschen bei lebendigem Leib von Ratten auffressen ließ?
Andererseits hatte er nichts zu verlieren. Nichts außer sein Leben, und das verlor er auf jeden Fall, wenn er weiter nichts unternahm. Seines und das seiner Familie.
Die Aufgabe. Er musste sie lösen und sich den Punkt sichern.
Das war im Moment wichtiger als alles andere. Wie hatte sie noch gelautet?
Mein Kopf ist weich, was schützt mich vor dem ABC .
Dieses ABC … Frank war sicher, damit waren nicht die Buchstaben von A bis Z gemeint, sondern etwas anderes. Und er spürte, dass irgendwo in seiner Erinnerung der Schlüssel dazu lag, was damit gemeint war.
Aber der erste Teil?
Mein Kopf ist weich …
Das klang tatsächlich so, als ob es etwas mit Lernen zu tun hätte. Frank erinnerte sich an seine Studienzeit, an das nächtelange Lernen vor Klausuren und das Gefühl, dass irgendwann nichts mehr in den Kopf hineinwollte. Dieses Gefühl hätte man durchaus mit einem weichen Kopf beschreiben können.
Frank überlegte fieberhaft, was es in dieser
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