Das Rachespiel: Psychothriller (German Edition)
Ausgang erreichte.
Aber sie war nicht dort. Jens lag in unveränderter Position auf dem kalten Boden. Frank überlegte, wie er ihn vor den Ratten schützen konnte. In diesem Raum war das aussichtslos, so viel stand fest. Aber wo dann? Die Betten, die er in den Schlafräumen gesehen hatte, waren alle ohne Matratzen gewesen. Frank musste also einen Raum finden, dessen Tür bisher geschlossen geblieben war, so dass die Ratten noch nicht hineingelangt waren. Dort wäre Jens dann sicher. Zumindest was die Ratten betraf.
Aber wie sollte er ihn in so einen Raum bringen? Ihn zu tragen kam nicht in Frage, das konnte er mit den gebrochenen Rippen unmöglich schaffen. Also würde er ihn irgendwie ziehen oder schleifen müssen. Ein gutes Stück den Gang hinunter bis zu den ersten kleineren Räumen, deren Türen nicht offen standen. Blieb die Frage, wie er das anstellen sollte. Auf jeden Fall würde es einige Zeit in Anspruch nehmen. Zeit, in der Torsten vielleicht ebenfalls auf die Idee mit den ABC -Schutzanzügen kommen konnte. Und damit wäre die letzte Chance für Frank, das Leben seiner Familie und sein eigenes zu retten, vertan. Sollte er sich also nicht besser zuerst um die Aufgabe kümmern und Jens anschließend vor den Ratten in Sicherheit bringen? Bisher hatten sie ihn ja auch in Ruhe gelassen. Aber … hatten sie das wirklich? Oder wiesen Jens’ Hände schon vereinzelte Bissspuren auf? Frank konnte sich nicht sicher sein. Ein Fiepen in seiner unmittelbaren Nähe besiegelte schließlich seinen Entschluss, sich direkt um Jens zu kümmern, und nicht zum ersten Mal in dieser Nacht schämte er sich für seine vorherigen Gedanken.
Der Boden war einigermaßen glatt, und Frank fiel plötzlich die Wolldecke ein. Wenn er es schaffte, Jens auf die Wolldecke zu legen, die er selbst als Poncho trug, müsste es möglich sein, ihn über den Boden zu ziehen. Frank streifte die kratzige Decke über den Kopf und breitete sie neben Jens aus. Sofort kroch die Kälte durch seinen Pullover. Er ging um Jens herum und kniete sich neben seinen Kopf. Einfach auf die Decke drehen konnte er Jens nicht, denn dann hätte er auf dem Rücken und damit auf der Wunde gelegen. Also schob er die Hände unter Jens’ Brustkorb, atmete ein paarmal tief durch und machte sich auf die Schmerzen gefasst, die zwangsläufig folgen mussten. Mit einem Ruck hob er Jens’ Oberkörper ein Stück an und zog ihn gleichzeitig nach rechts. Der Schmerz ließ ihn beinahe ohnmächtig werden. Er schrie auf, während er den schlaffen Körper so weit wie möglich auf die Decke zerrte. Als er Jens’ Oberkörper abgelegt hatte, liefen ihm Tränen über die Wangen. Er hockte sich auf die Fersen und wusste für einen Moment weder ein noch aus vor Schmerz. Er hoffte inständig, dass es ihm gelingen würde, Jens so, wie er jetzt auf der Decke lag, über den Boden zu ziehen. Ein zweites Mal würde er ihn nicht hochheben können.
Frank dachte wieder an die Aufgabe und an die Tür, die nur wenige Meter von ihm entfernt am Ende des schmalen Durchganges darauf wartete, geöffnet zu werden. Der letzte gelbliche Schimmer ließ ihn den schwarzen Durchgang schräg gegenüber erahnen. Frank wandte sich ab. Nein, sagte er sich. Das würde warten müssen.
Er tastete nach Jens’ Hals. Der Puls war nur schwach, aber noch immer spürbar. Frank packte zwei Ecken der Decke, richtete sich mühsam auf und lauschte in leicht gebückter Stellung, aber außer vereinzeltem Rascheln war nichts zu hören. Vorsichtig lehnte er sich ein Stück zurück und zog kräftig. Es ging viel besser, als er gedacht hatte. Die Wolldecke rutschte so leicht über den Boden, dass Frank fast nach hinten gefallen wäre. Er sammelte sich einen Moment und zog dann etwas vorsichtiger, bewegte sich in Richtung der gelben Linie.
Die ersten Türen, die er im Gang erreichte, standen weit offen. In den dahinterliegenden Räumen ließen die typischen Geräusche darauf schließen, dass mehrere Ratten darin herumliefen. Am Ende des Ganges zog Frank seine Last nach links und versuchte es weiter. Die vierte Tür auf der linken Seite schließlich war geschlossen. Er lehnte sich für einen Moment gegen den Türrahmen und entspannte den Oberkörper so weit, dass die Schmerzen in der Brust etwas nachließen. Er fühlte sich komplett ausgepowert. Aber er musste sich beeilen, weitermachen. Als er das Gefühl hatte, wieder etwas Kraft gesammelt zu haben, öffnete er die Tür, zog Jens ruckartig hinein und schloss sie sofort hinter
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