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Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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zwei Männer. Einer trug einen Hut, der andere eine Schirmmütze. Sie sahen aus wie Touristen und schauten zu uns hinüber. Für einen kurzen Augenblick hatte ich das Gefühl, fotografiert worden zu sein.
    »Schau mal die beiden da drüben«, flüsterte ich Julia zu. »Findest du die auch verdächtig?«
    Julia schüttelte den Kopf. »Sehen aus wie Touristen.«
    »Obwohl hier alles gesperrt ist?«, fragte ich.
    »Wir sind doch auch hier«, antwortete sie.
    Nun waren die beiden Männer zum Souvenirstand getreten und interessierten sich für die Postkarten. Einer sagte etwas in einer Sprache, die ich nicht verstand. Für mich klang es wie Russisch. Dann lachten beide.
    »Siehst du, falscher Alarm«, meinte Julia und blickte wieder hinauf zum Denkmal. »Jedenfalls stehen die Chancen nie wieder so gut wie jetzt, um einmal unbemerkt in den Herkules hineinzuschauen.«
    Ich schaute sie verdutzt an. »Unbemerkt?«, fragte ich und blickte mich demonstrativ um.
    »Na, nicht jetzt, sondern wenn die Arbeiter weg sind.«
    »Und das wäre wann?«, fragte ich mit einer bösen Vorahnung.
    »Heute Nacht. Du hast doch gehört, dass es morgen zu spät ist, weil dann die Arbeiter in die Figur reingehen. Das heißt, wir haben nur noch diese Nacht!«
    Ich musterte die Umgebung. Das Schloss, auf dessen Spitze der Herkules thronte, lag einsam an einem Berghang. Mit seinem schwärzlichen Gestein sah es aus wie Frankensteins Burg und weckte bei mir keine große Lust, hier abends oder gar nachts herumzulaufen.
    »Ich habe gelesen, dass sich hier abends vor allem Verliebte treffen«, erklärte Julia. »Das passt doch perfekt!« Sie zog mich an sich, blickte mir tief in die Augen und gab mir einen kurzen, aber leidenschaftlichen Kuss.
    Ich wusste nicht, was mich mehr erregte: ihre Äußerung über uns als Verliebte oder die Berührung ihrer Lippen. Gleichzeitig musste ich daran denken, dass wir bis heute Abend noch viel Zeit hatten.
    »Na dann«, sagte ich. »Lass uns zurück in die Stadt gehen und irgendwo ausruhen. Wir sollten uns ein Zimmer suchen.« Ich schaute hinab auf den Weg, den wir gekommen waren. Auch wenn es jetzt bergab gehen würde, graute es mir vor dem neuerlichen Fußmarsch.
    Der ältere Mann vom Souvenirstand trat plötzlich auf uns zu. »Ich mache für heute zu. Wegen der Bauarbeiten werden heute sowieso nur wenige heraufkommen. Soll ich Sie mit runter in die Stadt nehmen?«
    Julia und ich blickten uns erleichtert an.
    Von den beiden Touristen, die wahrscheinlich aus Russland kamen, war weit und breit nichts mehr zu sehen.

82
    Cassel, 1717
    Eine Schraube fehlte.
    »Ihr Taugenichtse!«, polterte Orffyreus und schlug mit dem Schraubenschlüssel nach seinem Gehilfen Xaver, der jedoch geschickt auswich. »Lauf und hol mir eine neue aus dem Werkzeugkasten und ein wenig von der Butter. Ich muss die Lager noch einmal einfetten!«
    Der Bursche kam in Windeseile mit dem Geforderten zurück und rang nach Atem.
    »Und nun schafft hier sofort Ordnung, die Marquise wird jeden Augenblick hier sein!«, brüllte sein Herr, der inzwischen seitlich unter dem Rad lag.
    »Ich bin schon hier, lieber Orffyreus!«, rief eine weibliche Stimme.
    Orffyreus hob kurz den Kopf und fluchte leise. »Verzeiht, Marquise, ich bin gleich bei Euch. Erlaubt mir letzte Vorbereitungen.«
    »Ich bin so frei!«, flötete die Marquise de Langallerie.
    Begleitet wurde sie von Jean Gariere, ihrem Sekretär. Er trug ein schweres Schreibpult vor sich her, das seinen krummen Rücken noch mehr nach vorne zu beugen schien. An der Seite der Marquise gingen ihre beiden Kammerzofen Marie und Sofie sowie zwei Diener. Einer von ihnen trug ein kleines Kästchen bei sich.
    »Ich bin beeindruckt von Eurem … Wie heißt es doch gleich?«, fragte die Marquise, während sie um die Apparatur herumschritt.
    »Perpetuum mobile«, antwortete Orffyreus ächzend, während er die Schraube festzog. Dann rutschte er auf dem Rücken unter dem Rad hervor und richtete sich auf. »Fertig! Meinetwegen kann die Wette beginnen!«
    Die Marquise hielt Orffyreus ihre Hand entgegen. Er wischte sich die Hände am Gehrock ab, bevor er die Hand der Marquise ergriff und einen Kuss darauf andeutete.
    »Verzeiht, ich habe die Lager noch mit Butter gefügig gemacht!«
    »Gefügig gemacht«, wiederholte die Marquise kokett und warf den Kopf lachend nach hinten. »Diese Wortwahl gefällt mir!«
    In diesem Augenblick betrat Gärtner den Raum. »Seid gegrüßt!«, rief er und kam schnaufend auf Orffyreus und die

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