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Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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Gesteins.
    »Ich sehe nichts!«, schrie ich gegen den Sturm.
    »Ich dachte, ich hätte etwas gesehen!«, entgegnete Julia verunsichert. Sollten wir hier oben tatsächlich in Probleme geraten, würden wir so schnell keine Hilfe holen können.
    »Hast du die Taschenlampe auch nicht verloren?«, fragte Julia.
    Ich klopfte auf meine Hosentasche und holte die Taschenlampe heraus, die wir in einem Supermarkt besorgt hatten. Nachdem wir einige Zeit in die Dunkelheit hineingeleuchtet und nichts Verdächtiges bemerkt hatten, erklomm ich die Leiter zur nächsten Plattform, und Julia folgte mir. Je höher wir stiegen, desto stärker wurde der stürmische Wind. Meine Wangen kühlten aus, und meine Hände, mit denen ich Sprosse um Sprosse umklammerte, wurden durch die Kälte langsam steif.
    Keinen halben Meter von uns entfernt befand sich die Herkules-Figur. Als wir fast oben waren, trat ich an den inneren Rand der Plattform, streckte meine Hand aus und berührte die Statue. Ihre grüne Oberfläche fühlte sich wie eine schlecht bemalte Raufasertapete an.
    »Das ist die durch Verwitterung entstandene Patina!«, erklärte Julia mit lauter Stimme.
    Ich klopfte gegen die Statue. Der mächtige Wind vertrieb jedes Geräusch, jedoch fühlte ich mit den Fingerknöcheln, dass die Figur innen hohl sein musste.
    »Da!«, schrie Julia auf. Sie starrte nach unten und streckte den Arm aus. »Jetzt bin ich mir sicher, dass da unten jemand ist!«
    Für einen kurzen Augenblick glaubte auch ich, den Schatten einer Person in einem der Fensterbögen zu erkennen. Ich blinzelte und blickte mehrere Momente lang angestrengt nach unten – doch ich konnte keinen menschlichen Umriss ausmachen. Vermutlich hatte ich mich doch getäuscht. Nun begann es auch noch zu regnen. Der Wind peitschte die Tropfen in unsere Gesichter.
    »Ich sehe niemanden!«, rief ich schließlich. »Aber selbst wenn da unten jemand ist: Was sollen wir machen? Falls wir jetzt nach unten steigen, rennen wir ihnen in die Arme. Dann können wir genauso gut weiter nach oben gehen und hoffen, dass wir nicht bemerkt werden!«
    Julia schob mich auf die nächste Leiter zu.
    »Vielleicht nur ein Liebespaar!«, schrie ich, ohne selbst daran zu glauben. Wer würde bei diesem Wetter hier herauskommen, um sich zu vergnügen?
    Wenig später erreichten wir die oberste Plattform. Das Gerüst um uns herum wankte, und die Stangen knarrten immer bedrohlicher. Wir standen nun genau auf Höhe des Kopfes der Herkules-Figur. Aber dort, wo sich fast dreihundert Jahre lang der Kopf befunden hatte, klaffte nun ein großes dunkles Loch. Er selbst hing etwa einen Meter über dem Halsende der Statue an einer großen Stahlkette, die wiederum an einer gewaltigen Metallkonstruktion befestigt war. Offenbar, um den Kopf vom Körper der Skulptur abtrennen zu können, war hier oben der Gerüstturm erweitert worden: Ein schmaler Steg führte direkt von uns auf Höhe der Schultern hinüber zu der Figur.
    »Wir müssen da rüber!«, brüllte ich in Julias Ohr.
    »Das ist bei diesem Wetter viel zu gefährlich!«, antwortete sie. Der Regen wurde jetzt noch stärker.
    »Wir werden wohl kaum Gelegenheit haben, noch einmal überprüfen zu können, ob sich etwas in der Figur befindet«, erwiderte ich. Ich betrachtete prüfend den Weg hinüber zur Statue. »Man kann sich an den Gerüststangen festhalten!«
    Vorsichtig testete ich die Bretter vor mir auf ihre Tragkraft. Ich machte einen Schritt nach vorn. Dann noch einen. Mit kleinen Schritten überbrückte ich den Steg. Auf Höhe der Stelle, wo der Kopf des Herkules gesessen hatte, verbreiterte der Steg sich zu einer kleinen Plattform, die um das Loch herum angelegt worden war. Ich ging in die Hocke, um dem Wind zu trotzen. Aus dem riesigen Loch im Hals des Herkules vor mir drang ein dunkles Pfeifen, so als würde man in den an die Lippen gelegten Hals einer Flasche hineinpusten. Offensichtlich war dies der Wind, der durch die Statue blies. Ich drehte mich um. Julia stand immer noch an das Gerüst geklammert auf der obersten Plattform des Turms. Ich streckte ihr meine Hand entgegen.
    Sie schüttelte den Kopf, schaute kurz hinunter und begann dann, auf allen vieren zu mir zu kriechen. Ihre Kapuze war verrutscht, und der Sturm war so stark, dass ihre nassen Haare fast waagrecht in der Luft flatterten. Langsam bewegte sie sich auf mich zu. Als ich ihren Ellbogen ergreifen konnte, zog ich sie zu mir herüber. Nun lagen wir beide bäuchlings auf der Plattform, hinter uns die Stangen

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