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Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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langsam auf. Mein Rücken schmerzte. Als ich endlich stand, leuchtete ich die Umgebung um mich herum ab.
    »Und?«, rief Julia.
    »Ich schaue mich gerade um. Im Moment sehe ich hier nur einen riesigen Haufen Fledermausscheiße!«
    Julia ließ ein lang gestrecktes »Iiiigittt!« vernehmen, und ich musste bei der Vorstellung, wie sie dabei ihr Gesicht verzog, unwillkürlich lachen. Ich leuchtete die Innenwände der Figur von unten nach oben ab. Insgeheim hoffte ich eine Inschrift oder Ähnliches zu finden, doch ich entdeckte nichts. Die Figur war in keinem guten Zustand. Überall waren kleine Löcher zu sehen. Ich leuchtete erneut auf den Boden. Zwischen dem schwarzen Brei aus Wasser und Fledermauskot leuchtete ein goldfarbener Gegenstand. Ich bückte mich und hob ihn auf. Ich kannte so etwas von meiner Zeit bei der Bundeswehr: Es war eine verformte Patronenhülse. Ich leuchtete noch einmal auf die Löcher in der Statue. Vermutlich war sie im Krieg unter Beschuss geraten, und hier unten lagen nun die Munitionsreste. Ich suchte den Boden ab und fand weitere Patronen verschiedener Kaliber.
    »Hast du was …?«, schrie Julia. Danach verstand ich nur noch das Wort »Regen«.
    »Ich beeile mich! Bislang Fehlanzeige!«
    Ich blickte mich noch einmal um. Dann beschloss ich, das Gerüst wieder hinaufzuklettern und mir die Wände bis oben hin genauer anzuschauen. In dem Moment, als ich mit dem Aufstieg beginnen wollte, blinkte etwas silbern im Lichtstrahl der Taschenlampe. Ich bückte mich und entdeckte eine Art große Münze: eine Scheibe, in der etwas eingraviert war und die ein Loch in der Mitte hatte.
    »Ich habe etwas gefunden!«, rief ich aufgeregt.
    Von oben kam keine Antwort.
    »Julia, hast du mich gehört? Ich habe etwas entdeckt – eine große Münze mit Inschrift!«
    Noch immer erwiderte sie nichts. Ich leuchtete nach oben.
    »Julia?« Vielleicht war der Sturm oben so heftig geworden, dass sie mich nicht mehr hören konnte. Ich verstaute den Fund in meiner Hosentasche und steckte dann die eingeschaltete Lampe ebenfalls dort hinein, und zwar so, dass sie senkrecht nach oben leuchtete. Dann begann ich, die Streben hochzusteigen.
    »Julia?«, brüllte ich.
    Panik erfasste mich.
    Ich schrie noch einmal ihren Namen, doch noch immer war über mir alles still. Auf halbem Weg nach oben blieb ich stehen, hakte mich mit meinem Arm im Gerüst ein und nahm die Taschenlampe wieder aus der Hosentasche. Ich streckte die Hand mit der Lampe empor und versuchte, die finstere Öffnung der Statue zu erhellen.
    Der Lichtkegel fiel auf das vom Regen durchnässte Gesicht eines Mannes, der sich über das Loch beugte und mich hämisch angrinste.

86
    Cassel, 1717
    Es war früher Morgen. Über den Feldern ringsherum stand der Nebel. Das Pferd schnaubte unruhig. Gärtner fuhr herum und beobachtete den Weg, der zu dem kleinen Weiher führte, an welchem er wartete. Einige Sekunden später bog ein dunkelbraunes Pferd im Galopp um die Ecke. Kurz vor Gärtner kam es zum Stehen. Der Reiter sprang ab.
    »Christian Gärtner?«, fragte er mit typisch hessischem Dialekt. Gärtner nickte. Der Bote reichte ihm einen kleinen Kasten.
    »Mit den wohlwollenden Grüßen der Marquise! Sie lässt ausrichten, dass sie, falls Ihr erwischt werdet, nichts für Euch tun kann und alles abstreiten würde. Auch soll ich Euch an Euren Teil der Abmachung erinnern.«
    »Sagt Ihr, wir werden selbstverständlich zu unserem Wort stehen.«
    »Die Marquise wird dafür Sorge tragen, dass der östliche Boteneingang unverschlossen bleibt. Zudem wird die Marquise um drei Uhr in der Nacht die Wachen in dem Korridor für eine Stunde abrufen. Danach treffen wir uns wieder, und Ihr gebt mir das Kästchen zurück.«
    »Einverstanden. Nun macht Euch auf den Weg zurück in die Stadt, es wird langsam hell.«
    Der Reiter verbeugte sich, sprang auf sein Pferd und preschte davon.
    Gärtner hob den Deckel des Kästchens an. Darin lag, auf rotem Tuch gebettet, neben einem großen eisernen Schlüssel das Siegel der Marquise de Langellarie.

87
    »Es kann keine Rede davon sein, dass wir dir nicht vertrauen!« Dawid Kiroushenkov lehnte sich mit gespielter Empörung in seinem Stuhl zurück. Er war ein Mann, der auf die achtzig zuging, und man sah ihm sein Alter auch an. Bedächtig richtete er mit beiden Händen die große schwarze Hornbrille, die ihm ständig verrutschte.
    »Wenn ihr mich und meine Art der Amtsführung kritisiert und einen weiteren Vorstand benennen wollt – wie soll ich dies

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