Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
mobile von Gottes Gnaden ist, möchte auch ich Gnade walten lassen. Ich stunde Gärtner die restliche Summe von tausend Talern! Mag er sich mit der vereinbarten Gründung der Stiftung zugunsten meines seligen Freundes Leibniz ein Jahr Zeit lassen!«
Ein erstauntes Gemurmel erhob sich unter den Schaulustigen.
»Jedoch stelle ich folgende Bedingungen!«, ergänzte Orffyreus und wandte sich an Gärtner. »Ihr verlasst noch heute Hessen-Cassel und belästigt mich und meine Familie niemals wieder. Ihr bittet mich öffentlich um Verzeihung für Eure Schmähungen gegen meine Person und mein Rad und sagt zu, niemals wieder Hetzschriften gegen mich und mein Perpetuum mobile zu verfassen. Und Ihr erkennt schließlich öffentlich an, dass ich, Orffyreus, der Erfinder des einzig wahren Perpetuum mobile bin!«
Gärtner traten Tränen in die Augen. Sein Blick wanderte von den Wächtern, die eine Armlänge von ihm entfernt darauf warteten, ihn unter Arrest zu nehmen, zu Gravesande, der weiterhin jeden Blickkontakt vermied, und zum Landgrafen, von dort zur Marquise und schließlich zu Orffyreus.
»Wie ist Eure Entscheidung?«, fragte Orffyreus mit strenger Stimme.
Gärtner schluchzte. »Einverstanden!«, hauchte er leise.
»Ich kann Euch leider nicht verstehen!«, rief Orffyreus. »Sprecht bitte so, dass alle Euch hören können!«
»Einverstanden!«, wiederholte Gärtner etwas lauter mit brüchiger Stimme.
»Dann leistet nun Abbitte!«, forderte Orffyreus ihn auf.
»Ich bitte Euch um Verzeihung für die Schmähungen, die ich Euch zugefügt habe. Ich habe mich geirrt. Und ich gestehe hiermit ein, dass Ihr der Erfinder des Perpetuum mobile seid!« Gärtner sprach mit gesenktem Kopf monoton vor sich hin.
Orffyreus verzog unzufrieden seinen Mund. »Sagt es noch einmal, und zwar so, dass es wirklich alle verstehen können, auch diejenigen, die weiter hinten stehen!«
Gärtner wiederholte die Sätze so laut, wie er nur konnte, um danach in sich zusammenzusinken. Zufrieden blickte Orffyreus sich um. Der Landgraf schenkte ihm ein anerkennendes Lächeln. Die Marquise taumelte unterdessen zurück und hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Eine ihrer Zofen hielt ihr ein Fläschchen mit Riechsalz unter die Nase, während die andere sie stützte.
»Nun bringt diesen elenden Kerl fort!«, befahl der Landgraf »Er soll die Landgrafschaft noch heute verlassen. Und es ist ihm nicht erlaubt, jemals zurückzukehren. Wird er noch einmal in Hessen-Cassel angetroffen, ist er sofort zu verhaften!«
Zwei Wächter traten an Gärtner heran und nahmen ihn in ihre Mitte.
»Gott segne Orffyreus!«, rief jemand im Korridor des königlichen Schlosses.
»Gott segne Orffyreus!«, stimmten andere ein.
Orffyreus drückte die Brust raus und ging mit stolzen Schritten zum Rad. »Wir lassen es weiterlaufen!«, verkündete er und begutachtete es mit einem prüfenden Blick. »Versiegelt, wenn wir alle den Raum verlassen haben, die Türen erneut. Wenn es schon dreißig Tage läuft, dann soll es auch sechzig Tage machen!« Applaus brandete auf.
Unterdessen war der Landgraf an die Marquise herangetreten. »Und seid Ihr zufrieden mit dem Ergebnis der Wette?«, flüsterte er.
Die Marquise antwortete, ohne ihn anzuschauen: »Ich hatte keinen Favoriten, insofern war mir jeder Ausgang recht.«
»Ich bitte Euch, wenn wir hier fertig sind, führt mich in Eure Gemächer und zeigt mir Euer Siegel«, sagte der Landgraf.
Die Marquise drehte ihren Kopf zu ihm und blickte ihn irritiert an. »Wie meint Ihr?«
»Euer Siegel, mit dem Ihr diesen Raum verschlossen habt. Ich bitte Euch, es mir zu zeigen. Oder stellt dieser Wunsch für Euch ein Problem dar?«
Die Marquise schüttelte den Kopf »Warum sollte es ein Problem sein?«, fragte sie mit gespieltem Erstaunen. Ihr suchender Blick ging zu dem Riechfläschchen, das ihre Zofe noch immer in der Hand hielt.
Der Landgraf deutete mit einer Bewegung seines Kopfes auf seine linke Hand.
»Vielleicht, weil ich Euer Siegel in meiner Hand halte«, entgegnete er spöttisch.
Die Marquise senkte ihren Blick und sah ihr Siegel in der Hand des Landgrafen blitzen. »Wie kommt Ihr an mein Siegel?«, fragte sie entrüstet mit zitternder Stimme.
»Das«, antwortete der Landgraf verächtlich, »möchte ich von Euch wissen.«
99
Mit dem Beginn des Morgengrauens verblassten die Sterne über mir, und schließlich waren sie nicht mehr zu sehen. Das Licht der aufgehenden Sonne erlaubte mir nun, die Umgebung genauer zu
Weitere Kostenlose Bücher