Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)
ganz egal, wie viele Kaufleute er in ein Bett hätte stopfen müssen. Was er meinte, war, weil sie ohnehin bald zur Weißen Burg aufbrechen würde. Tatsächlich war es keine Bitte. Er hatte die Frau bereits einquartiert! Und wenn sie protestierte …
»Wenn es Euch stört, schlage ich vor, dass Ihr mit einer der Aes Sedai sprecht«, sagte er mit fester Stimme. Mit fester Stimme! Zu ihr! »Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen würdet, ich muss mich um viele Dinge kümmern. Wir haben im Augenblick viel zu tun.« Und er wieselte los, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Und ohne eine Verbeugung!
Sie hätte schreien können. Um ein Haar hätte sie zur Macht gegriffen, um ihm eine Ohrfeige zu geben.
Haesel Palan war eine Teppichhändlerin aus Murandy mit dem singenden Tonfall von Lugard. Moiraine bekam mehr davon zu hören, als sie wollte, und zwar von dem Moment an, als sie das kleine Zimmer betrat, das ihr allein gehört hatte. Ihre Kleidung war aus dem Schrank geholt und an Haken an der Wand gehängt worden, Kamm und Bürste vom Waschbecken genommen und durch die von Frau Palan ersetzt worden. Die mollige Frau in dem teuren braunen Wollkleid wäre vielleicht »Lady Alys« gegenüber schüchtern gewesen, aber nicht gegenüber einer Wilden, von der jeder sagte, dass sie am Morgen aufbrechen würde, um Novizin in der Weißen Burg zu werden. Sie hielt Moiraine Vorträge über die Pflichten einer Novizin, und nichts davon war richtig. Einige ihrer Vorschläge hätten die meisten Novizinnen innerhalb von einer Woche wenn nicht am ersten Tag getötet, und der Rest war einfach lächerlich. Fliegen lernen? Die Frau war verrückt! Sie folgte Moiraine zum Essen in den Gemeinschaftsraum hinunter und bat befreundete Händlerinnen mit an den Tisch, die allesamt ganz versessen darauf waren, von der Weißen Burg zu erzählen. Was sie darüber wussten. Was auf rein gar nichts hinauslief. Das allerdings diskutierten sie in aller Ausführlichkeit. Wäre Moiraine tatsächlich eine potenzielle Novizin gewesen, hätten sie ihr so viel Angst eingejagt, dass sie sich nicht einmal in die Nähe der Burg gewagt hätte! Sie glaubte, sie könnte dem allen entfliehen, indem sie sich früh auf das Zimmer zurückzog, hatte aber kaum das Kleid ausgezogen, als Frau Palan auch schon nachkam und redete, bis sie einschlief.
Es war keine angenehme Nacht. Das Bett war schmal, die Ellbogen der Frau spitz, ihre Füße trotz der dicken Decke, die die Wärme des Ofens unter dem Bett hielt, eiskalt. Kälte zu ignorieren war eine Sache; eiskalte Füße hingegen etwas ganz anderes. Der Regen, der die ganze Zeit in der Luft gelegen hatte, fiel endlich, Wind und Donner ließen die Fensterläden stundenlang klappern. Moiraine bezweifelte sowieso, dass sie hätte schlafen können. Schattenfreunde und Schwarze Ajah tanzten in ihrem Kopf. Sie sah, wie Tamra aus dem Schlaf gerissen, an einen geheimen Ort verschleppt und von Frauen gefoltert wurde, die die Macht einsetzten. Manchmal hatten die Frauen Mereans Gesicht und das von Larelle und das von Cadsuane und das jeder Schwester, die sie je gesehen hatte. Manchmal wurde Tamras Gesicht ihr eigenes.
Als in den dunklen Morgenstunden die Tür langsam und quietschend geöffnet wurde, umarmte Moiraine blitzartig die Quelle. Saidar strömte bis zu dem Punkt in sie ein, an dem Glücksgefühl und Freude fast in Schmerz übergingen. Nicht so viel von der Macht, wie sie in einem Jahr würde handhaben können, geschweige denn in fünf, aber ein Quäntchen mehr würde ihr jetzt die Gabe ausbrennen oder sie töten. Das eine war so schlimm wie das andere, aber sie wollte noch mehr ergreifen, und das nicht nur, weil die Macht stets bewirkte, dass man nach mehr verlangte.
Cadsuane streckte den Kopf herein. Moiraine hatte ihr Versprechen, ihre Drohung vergessen. Die Grüne Schwester sah selbstverständlich das Leuchten, konnte sehen, wie viel Macht sie hielt. »Närrisches Mädchen«, sagte die Frau nur, bevor sie wieder ging.
Moiraine zählte langsam bis hundert, dann schwang sie die Füße unter der Decke hervor. Jetzt war ein günstiger Zeitpunkt. Frau Palan drehte sich auf die Seite und fing an zu schnarchen. Es klang wie zerreißende Leinwand. Trotzdem bemühte sich Moiraine, leise zu sein. Sie lenkte Feuer, entzündete eine der Lampen und zog sich hastig an. Diesmal ein Reitkleid, dunkelblaue Seide und an Hals und Ärmeln mit einem Goldmuster wie bei maldinischer Spitze bestickt. Widerwillig beschloss sie, ihre Satteltaschen
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