Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)
Angelegenheit hören. Beim Licht, das erschien nicht fair. Sie wusste Bescheid, und es bedeutete nichts.
Gegen Mittag schaute Moiraine auf und erblickte vor sich eine schlanke junge Frau in einem dunklen Wollkleid, die in der Armbeuge ein in eine Decke gewickeltes Kind hielt.
»Susa Wynn, Aes Sedai«, sagte die Frau unterwürfig. »Das bin ich. Das ist mein Cyril«, fügte sie hinzu und streichelte dem Jungen über den Kopf.
Moiraine mochte keine Erfahrungen mit Babys haben, aber sie konnte ein sechs oder sieben Monate altes Kind von einem Neugeborenen unterscheiden. Als sie den Mund öffnete, um der Frau zu sagen, dass sie sie nicht zum Narren halten sollte, berührte Siuan sie kurz am Arm. Das war alles – sie hielt nicht inne, die Frau zu befragen, deren Name sie gerade eintrug –, aber es ließ Moiraine noch einmal genauer hinsehen. Susa Wynn war nicht schlank, sie war fast hager, hatte dunkle Ringe unter den Augen und machte einen verlorenen, verzweifelten Eindruck. Kleid und Umhang waren abgetragen und oft geflickt. Sauber geflickt, aber an vielen Stellen schienen mehr Flicken da zu sein als der ursprüngliche Stoff.
»Der Name des Vaters?«, frage Moiraine und spielte auf Zeit, um zu einer Entscheidung zu gelangen. Das Kind war bei Weitem zu alt, und damit war die Sache erledigt. Dennoch …
»Jac, Aes Sedai. Jac Wynn. Er …« Tränen traten in die tief liegenden Augen der Frau. »Jac starb, bevor die Kämpfe überhaupt anfingen. Rutschte im Schnee aus und schlug sich den Schädel an einem Stein auf. Scheint nicht richtig zu sein, den ganzen Weg zu reisen und dann zu sterben, weil er im Schnee ausrutscht.« Das Baby fing an zu husten, tief aus der Brust heraus, und Susa beugte sich besorgt darüber.
Moiraine vermochte nicht zu sagen, was es war, das Husten des Kindes, die Tränen oder der tote Gemahl, aber sie trug die Angaben der Frau sorgfältig ein. Die Burg konnte sich hundert Goldkronen für eine Frau und ihr Kind leisten, die sonst vielleicht sterben würden. Das Kind schien wohlgenährt zu sein, das schon, aber Susa war offensichtlich am Verhungern. Und Meri a’Conlin hatte vor, ihre Münzen einzurahmen . Sie konnte sich nur mit Mühe zurückhalten, nicht auf der Stelle die Antwort zu verlangen, wem Jac Wynn gedient hatte. Wer auch immer es war, er hätte nicht zulassen dürfen, dass sich die Dinge so weit entwickelten! Adliges Blut hatte genauso viele Pflichten wie Rechte! Sogar mehr, das hatte man jedenfalls ihr beigebracht. Davon abgesehen, wo waren die Freunde der Frau? Murandianer!
»Das Licht segne Euch, Aes Sedai.« Susa versuchte weitere Tränen hinunterzuschlucken und versagte kläglich. Sie schluchzte nicht; die Tränen liefen ihr einfach die Wangen hinunter. »Das Licht leuchte ewig auf Euch.«
»Ja, ja«, sagte Moiraine sanft. »Gibt es in diesem Lager eine Kräuterfrau?« Nein, Murandianer hatten eine andere Bezeichnung für Frauen, die sich mit Kräutern und Medizin auskannten. Was war es noch einmal? Verin Sedai hatte in ihrem und Siuans ersten Jahr als Aufgenommene darüber gelehrt. »Eine Heilerin?« Als Susa nickte, holte sie ihren Geldbeutel aus der Gürteltasche und drückte der Frau einen Silberpfennig in die Hand. »Bringt Euer Kind zu ihr.«
Das rief noch mehr Tränen und Dankbarkeitsbezeugungen hervor und einen Versuch, ihr die Hand zu küssen, dem sie nur mühsam entgehen konnte. Beim Licht, Susa war nicht ihre Lehensfrau. Es war nicht richtig.
»Da das Geburtsgeld kommt«, flüsterte Siuan, nachdem Susa endlich gegangen war, »hätte die Heilerin ihr Kredit gegeben.« Ihr Blick wich nicht von dem, was sie da mit sicherer Hand schrieb, aber das, was Moiraine von ihrem Gesicht erkennen konnte, zeugte von Missbilligung. Siuan ging sehr vorsichtig mit dem wenigen Geld um, über das sie verfügte.
Moiraine seufzte – getan war getan –, und dann noch einmal, als sie erkannte, dass hektisches Geflüster die beiden Reihen entlanghuschte. Die Neuigkeit, dass eine der Aes Sedai Susa Wynns Kind akzeptiert hatte, verbreitete sich wie ein Steppenbrand, und im Handumdrehen eilten Frauen zum Ende der Reihen, und mindestens eine von ihnen führte ihr Kind an der Hand.
»Mein Danil, er ist in letzter Zeit ziemlich kränklich, Aes Sedai«, sagte die pausbäckige Frau vor ihr mit einem hoffnungsvollen Lächeln. Und einem Funkeln Habgier in den blassen Augen. Der Säugling auf ihrem Arm machte glückliche, gurgelnde Geräusche. »Ich wünsche mir sehr, ich könnte es mir
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