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Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)

Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)

Titel: Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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anfühlte, bevor sie es sich auflösen ließ. Keine großartige Vorstellung, aber auch keine ganz schreckliche. Sie hatte es bei verschiedenen Gelegenheiten fast geschafft, alle einhundert zu vollenden, aber gelungen war ihr das nur zweimal, und einmal davon nur mit Müh und Not.
    »Traurig«, sagte Elaida so kalt wie Eis. »So werdet Ihr nie bestehen. Und ich will , dass Ihr besteht, Kind. Ihr werdet bestehen, oder ich sorge dafür, dass Ihr Euch die Haut abzieht und mit Euren Knochen tanzt, bevor man Euch fortschickt. Ihr beide seid armselige Freundinnen, wenn Ihr Moiraine auf diese Weise helft. Als ich Aufgenommene war, da wussten wir, wie man zu üben hat.« Sie schickte Siuan und Myrelle in die Ecke, in der sie gestanden hatte, und nahm ihren Platz am Tisch ein. »Das wird Euch zeigen, wie man es richtig macht. Noch einmal, Kind.«
    Moiraine befeuchtete sich die Lippen und drehte sich um. Myrelle schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln, und Siuan nickte zuversichtlich, aber sie konnte ihre Sorge sehen. Was würde Elaida tun? Sie fing an. Sobald sie die Macht umarmte, schossen Lichtblitze durch ihr Sichtfeld und hinterließen schwarze und silberne Punkte, die vor ihren Augen tanzten. Schrille Pfeiftöne ließen ihre Ohren klingeln. Unentwegt trafen sie Schläge wie von kraftvoll geschwungenen Riemen oder Ruten. Alles geschah ohne Unterbrechung, es ließ nicht nach, bis sie ein Gewebe vervollständigt hatte, und auch dann gab es nur eine kurze Pause, bis sie wieder zu weben anfing.
    Und die ganze Zeit über bedrängte Elaida sie in einem kalten, nüchternen Tonfall. »Schneller, Kind. Ihr müsst schneller weben. Das Gewebe muss so gut wie fertig herauskommen. Schneller. Schneller.«
    Moiraine griff mit aller Kraft nach der nötigen Ruhe, aber sie erreichte nur das zwölfte Gewebe, bevor ihre Konzentration zusammenbrach. Nicht nur das Gewebe löste sich auf, sie verlor Saidar völlig. Blinzelnd versuchte sie, die tanzenden Punkte vor den Augen loszuwerden. Und die Tränen zurückzuhalten, womit sie mehr Erfolg hatte. Ihr Körper schmerzte von den Schultern bis zu den Knöcheln, Blutergüsse und Striemen pulsierten und brannten vom Schweiß. In ihren Ohren lag ein ständiges Klingeln.
    »Danke, Aes Sedai«, sagte Siuan schnell. »Wir wissen, was wir jetzt zu tun haben.« Myrelle hatte die Fäuste in den Stoff ihrer Röcke gekrallt, ihr Gesicht hatte alle Farbe verloren, ihre Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen.
    »Noch einmal«, sagte Elaida. Es kostete Moiraine sämtliche Kraft, über die sie verfügte, um ihr noch einmal den Rücken zuzuwenden.
    Der einzige Unterschied war, dass sie diesmal nur neun Gewebe zustande brachte.
    »Noch einmal«, sagte Elaida.
    Beim dritten Versuch vollendete sie sechs Gewebe, und beim vierten nur drei. Schweiß strömte ihr Gesicht hinunter. Nach einer Weile erschienen die Blitzlichter und das ohrenbetäubende Pfeifen kaum mehr als ärgerlich. Nur die unablässigen Schläge waren von Bedeutung. Nur die ständigen Schläge und der endlose Schmerz. Beim fünften Versuch fiel sie beim ersten Schlaghagel weinend auf die Knie. Die Hiebe hörten sofort auf, aber sie krümmte sich zusammen und schluchzte, als könnte sie nie wieder aufhören. Oh, beim Licht, in ihrem ganzen Leben hatte sie noch nie solche Schmerzen verspürt. Niemals.
    Sie war sich nicht einmal bewusst, dass Siuan an ihrer Seite kniete, bis ihre Freundin leise und sanft fragte: »Kannst du aufstehen, Moiraine?« Sie hob den Kopf vom Teppich und starrte nach oben in Siuans besorgtes Gesicht. Mit einer Anstrengung, von der sie nicht geglaubt hatte, zu ihr fähig zu sein, gelang es ihr, das Weinen unter Kontrolle zu bringen, jedoch nur so gerade eben, dann nickte sie und fing an, sich mühsam hochzustemmen. Gemarterte Muskeln wollten nicht funktionieren. Jede Bewegung ließ das Unterhemd auf den schweißbedeckten Striemen scheuern und hüllte sie in brennende Qual.
    »Sie wird es überleben«, sagte Elaida trocken. »Ein paar Schmerzen heute Abend werden sie die Lektion nicht vergessen lassen. Ihr müsst schnell sein! Ich komme morgen früh, um sie zu Heilen. Und Euch auch, Siuan. Helft ihr aufs Bett und fangt an.«
    Siuan wurde blass, aber wenn eine Aes Sedai befahl …
    Moiraine wollte nicht zusehen, aber Siuan war auch dazu gezwungen gewesen, also hielt sie die Augen durch reine Willenskraft offen. Was sie sah, hätte sie am liebsten wieder in Tränen ausbrechen lassen. Bei ihren Übungen schaffte es Siuan oft, jedes

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