Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)
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Wo war der hergekommen? Nein, besser, sich keine Gedanken über Dinge zu machen, die nicht zu erklären waren. Das Gewand passte, als hätte ihre eigene Schneiderin es angepasst. Sobald sie bekleidet war, fing sie an, sich jeden Zoll wie die Lady Moiraine Damodred zu fühlen. Nur wenn ihr Haar an den Seiten zu komplizierten Locken frisiert gewesen wäre, hätte es diesen Eindruck noch verstärkt. Wann hatte sie angefangen, ihr Haar offen zu tragen? Egal. In Cairhien konnten nur wenige Leute Moiraine Damodred Befehle geben. Die meisten gehorchten ihren Befehlen. Sie hatte nicht den geringsten Zweifel, die Gemütsruhe aufrechterhalten zu können, die nötig war. Jetzt nicht mehr.
Die Tür am Ende des Korridors führte auf einen großen, runden Hof; er wurde von hohen Arkaden umgeben, auf denen ein Säulengang ruhte. Goldene Türme und Kuppeln ließen auf einen Palast schließen, und doch war niemand zu sehen. Es herrschte Stille unter einem klaren Frühlingshimmel. Frühling, vielleicht auch ein kühler Sommertag. Sie konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, welche Jahreszeit war! Aber sie erinnerte sich, wer sie war – Lady Moiraine, die im Sonnenpalast aufgewachsen war, und das reichte. Sie blieb nur lange genug stehen, um den sechszackigen Stern zu suchen, der aus poliertem Messing in die Fliesen der Hofmitte eingelassen war, die Röcke zu raffen und nach draußen zu treten. Sie bewegte sich wie jemand, der in einem Palast geboren war, den Kopf hoch erhoben, ohne Eile.
Beim zweiten Schritt verschwand das Kleid und ließ sie im Unterhemd zurück. Das war unmöglich! Mit reiner Willenskraft behielt sie ihren majestätischen Gang bei. Gelassen. Zuversichtlich. Zwei weitere Schritte, und ihr Unterhemd löste sich auf. Als die Seidenstrümpfe und Spitzenstrumpfhalter auf halbem Weg zu dem funkelnden Messingstern verschwanden, kam ihr das wie ein schrecklicher Verlust vor. Es ergab keinen Sinn, aber wenigstens hatten sie für eine gewisse Bedeckung gesorgt. Gleichmäßiger Schritt. Gelassen und zuversichtlich.
Drei Männer kamen aus einem Torbogen, stämmige, unrasierte Burschen in einfachen Mänteln, die Sorte, die ihre Zeit mit Trinken in Tavernen verschwendete. Sicherlich keine Männer, denen man erlauben würde, in einem Palast herumzuspazieren. Röte schoss ihr ins Gesicht, noch bevor sie sie bemerkten und anstarrten. Sie schmierig angrinsten! Zorn blitzte in ihr auf, und sie unterdrückte ihn. Selbstbeherrschung. Ruhige Bewegungen, weder eilig noch zögerlich. So musste es sein. Sie wusste nicht, warum das so war, nur, dass es so sein musste.
Einer der Männer fuhr sich mit den Fingern durch das fettige Haar, als wollte er es frisieren, und ließ es dabei nur noch unordentlicher aussehen. Ein anderer zog seinen zerlumpten Mantel zurecht. Sie schlenderten auf sie zu, ein lüsternes Grinsen im Gesicht. Moiraine hatte keine Angst vor ihnen, da war nur das brennende Bewusstsein, dass diese … diese … Raufbolde … sie ohne einen Faden am Leib sahen – ohne einen Faden! –, aber sie wagte es nicht, nach der Macht zu greifen, bevor sie den Stern erreicht hatte. Perfekte Selbstbeherrschung und einen gleichmäßigen Schritt. In der Tiefe begrabener Zorn wand sich, aber sie hielt ihn dort fest.
Ihr Fuß berührte den Messingstern, und am liebsten hätte sie vor Erleichterung aufgestöhnt. Stattdessen wandte sie den drei Lümmeln das Gesicht zu, umarmte Saidar und erschuf das verlangte Gewebe, während sie zugleich Luft lenkte. Eine drei Schritte hohe, solide Wand aus Luft schoss um die Männer herum in die Höhe, und Moiraine verknotete sie. Das war erlaubt. Es schepperte stählern, als einer von ihnen dagegenhieb.
Im Scheitel des Torbogens, aus dem die Männer gekommen waren, funkelte ein sechszackiger Stern im Mauerwerk. Sie war sich sicher, dass er vorhin noch nicht da gewesen war, aber jetzt war er es. Mit gesetzten Schritten an der Wand aus Luft vorbeizugehen wurde schwierig, und sie war froh, dass sie noch immer die Macht hielt. Den Flüchen und Rufen nach zu urteilen, die aus dem Inneren hervordrangen, versuchten die Männer, dort herauszuklettern, indem sie auf die Schultern des jeweils anderen kletterten. Wieder hatte sie keine Angst vor ihnen. Nur, dass sie sie abermals nackt sahen. Wieder röteten sich ihre Wangen. Es fiel sehr schwer, nicht einen Schritt zuzulegen. Aber sie konzentrierte sich darauf, das Gesicht glatt und reglos zu halten, auch wenn es gerötet war.
Sie trat
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