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Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)

Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)

Titel: Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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nicht einfach, aber die meisten Schwestern konzentrierten sich auf das Ter’angreal . Allein Merean beobachtete sie jetzt, hielt nach einem Zögern Ausschau, einem Riss in ihrer Fassade der Selbstbeherrschung. Es hatte begonnen, und jetzt bedeutete ein Riss das Scheitern. Aber es war nur eine äußere Ruhe, eine Maske regloser Züge, die nicht tiefer als bis unter ihre Haut reichte.
    Sie entkleidete sich weiter, faltete jedes Kleidungsstück sorgfältig zusammen und legte es in einem ordentlichen Stapel auf den Gürtel und die Tasche. Das sollte reichen. Bis auf Merean würden alle Schwestern bis zum Ende ihrer Prüfung beschäftigt sein – zumindest glaubte sie das –, und sie bezweifelte, dass die Herrin der Novizinnen ihre Sachen durchwühlen würde. Auf jeden Fall konnte sie jetzt ohnehin nichts anderes tun. Zuletzt streifte sie den Großen Schlangenring ab, und den goldenen Reif auf den Rest zu legen versetzte ihr einen Stich. Seitdem sie ihn errungen hatte, hatte sie ihn nicht einmal zum Baden abgenommen. Ihr Herz raste, es pochte so hart, dass sie davon überzeugt war, Merean müsste es hören können. O beim Licht, Elaida. Sie würde sehr vorsichtig sein müssen. Die Frau wusste, wie sie sie aus dem Gleichgewicht bringen konnte. Sie musste aufpassen und bereit sein.
    Danach konnte sie nur noch warten. In der kühlen Luft bekam sie schnell eine Gänsehaut, und sie wollte die nackten Füße auf dem Steinboden bewegen, der eiskalt war. Perfekte Selbstbeherrschung. Sie stand still da, den Kopf hoch erhoben, die Hände an den Seiten, und atmete gleichmäßig. Perfekte Selbstbeherrschung. Das Licht helfe ihr. Sie weigerte sich, nur wegen Elaida zu scheitern. Sie weigerte sich! Aber der Eisklumpen in ihren Eingeweiden verbreitete seine Kälte bis ins Mark. Sie ließ sich nichts davon anmerken. Eine perfekte Maske der Gelassenheit.
    Plötzlich verwandelte sich die Luft in der Öffnung des Ovals in eine weiße Fläche. Es erschien weißer als die Wolle ihrer Röcke, weißer als Schnee oder das beste Papier, doch statt das Licht der Kandelaber zu reflektieren, schien es einen Teil zu absorbieren und ließ den Raum dunkler werden. Und dann begann das hohe Oval langsam auf seinem Fundament zu rotieren, ohne dass es dabei den geringsten Laut verursachte.
    Niemand sprach. Es war nicht nötig. Moiraine wusste, was zu tun war. Unerschütterlich – zumindest nach außen hin – ging sie in gleichmäßigem Tempo auf den sich drehenden Ring zu, weder hastig noch zögerlich. Sie würde bestehen, ganz egal, was Elaida machte. Das würde sie! Sie trat in das Weiß und hindurch und …
    … fragte sich, wo beim Licht sie sich befand und wie sie dort hingekommen war. Sie stand in einem schlichten, mit Lampen gesäumten Korridor, und die einzige Tür am anderen Ende stand geöffnet und führte ins Sonnenlicht hinaus. Tatsächlich war es der einzige Weg hinaus. Hinter ihr war eine glatte Wand. Sehr seltsam! Sie war sich sicher, diesen Ort noch nie zuvor gesehen zu haben. Und warum war sie hier … entkleidet? Allein die Gewissheit, absolute Selbstbeherrschung zeigen zu müssen, hielt sie davon ab, mit den Händen ihre Blöße zu bedecken. Schließlich konnte jeden Augenblick jemand durch die Tür am anderen Ende hereinkommen. Plötzlich fiel ihr ein Kleid ins Auge, das auf einem schmalen Tisch auf halber Höhe des Korridors lag. Sie war sich sicher, dass weder Tisch noch Kleid vor einem Augenblick da gewesen waren, aber Dinge erschienen nicht plötzlich aus dem Nichts. Da war sie sich ziemlich sicher.
    Sie kämpfte darum, sich nicht zu beeilen, ging zu dem Tisch und fand dort eine vollständige Garderobe. Die Slipper waren aus besticktem schwarzem Samt, das weiße Unterhemd und die Strümpfe aus feinster Seide und das Kleid aus nur unwesentlich schwererem Material; es war von einem dunklen, schimmernden Grün, hervorragend geschnitten und akkurat genäht. Von dem hohen Kragen bis unterhalb der Knie bildeten Streifen aus roter, grüner und weißer Farbe eine schmale Farblinie. Wie konnte hier ein Kleid mit den Farben ihres Hauses liegen? Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal ein solches Kleid getragen hatte, was sehr seltsam war, denn sicherlich war es nicht länger als ein oder zwei Jahre aus der Mode. Ihre Erinnerung schien voller Löcher zu sein. Abgründe. Doch sobald sie bekleidet war und über die Schulter blickte, um den kleinen Perlmuttknopf mithilfe ihres Spiegelbilds in dem großen Standspiegel zu

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