Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)
Frage, die sie sich in der Nacht oft gestellt hatte, und die Antwort war diesmal genauso dumm wie beim ersten Mal. Sie konnte sich nur selten gegenüber Siuan durchsetzen.
Wäre ihre Freundin doch in diesem Augenblick nur bei ihr gewesen. Das Nachsinnen über die Bürden und Pflichten einer Aes Sedai führte unweigerlich zu der Aufgabe, mit der sich Moiraine beschäftigen wollte, und je weiter die Nacht fortgeschritten war, desto größer war ihr das Ausmaß ihrer Suche erschienen, bis sie sich wie der Drachenberg selbst vor ihr erhoben hatte. Gesellschaft hätte da geholfen. Aber das Ritual war eindeutig. Sie mussten allein sein, wenn man sie holte. Fehltritte brachten jetzt keine Bestrafungen mehr, aber Peinlichkeiten und vermutlich einen Ruf als oberflächliche Hohlköpfe, den man vermutlich nur schwer wieder würde abschütteln können – natürlich war es durchaus vorstellbar, dass sie diesen Ruf bereits hatten –, aber es war als das Klügste erschienen, ein tadelloses Verhalten zu zeigen, soweit ihnen das möglich war.
Nachdem sie angezogen war, legte sie ihre wenigen Besitztümer auf das Bett, ließ die Garderobe aber abgesehen von einem Unterhemd und Strümpfen zum Wechseln im Kleiderschrank. Man würde sie waschen und für eine Novizin aufbewahren, die den Ring errang. Keine von denen, die zurzeit das Weiß trugen, würde diese Kleider ohne aufwendige Änderungen tragen können, aber das spielte keine Rolle; die Weiße Burg war geduldig. Das kleine Buch steckte in ihrer Gürteltasche, der sicherste Ort, der ihr einfiel. Sie hatte gerade den kleinen Rosenholzkasten aufs Bett gestellt, der die wenigen Schmuckstücke enthielt, die sie in die Burg mitgebracht hatte, als es an der Tür klopfte, drei energische Schläge. Der Lärm ließ sie zusammenzucken, ihr Herz raste. Plötzlich war sie fast so nervös wie vor der Prüfung. Es fiel ihr sehr schwer, nicht zur Tür zu stürmen. Stattdessen überprüfte sie ihre Frisur sorgfältig im Spiegel des Waschständers, zähmte mit der Bürste ein paar Strähnen, die nicht gezähmt werden mussten, legte die Bürste auf das Bett und ging erst dann zur Tür.
Sieben Schwestern warteten auf sie in der Nacht, eine von jeder Ajah, die mit Rankenmustern geschmückten Stolen lagen auf Seide oder feiner Wolle, ihre Gesichter waren alterslose Masken. So erforderte es das Ritual. Elaida war die Rote, aber Moiraine schaffte es, den strengen Blick der Frau mit reglosen Zügen zu erwidern. Nun, jedenfalls so reglos, wie sie es schaffte. Noch eine Stunde, vielleicht auch etwas mehr, und sie würden Gleichgestellte sein, zumindest bis zu einem gewissen Grad. Elaida würde sie niemals wieder zittern lassen.
Wortlos trat sie hinaus und schloss die Tür ein letztes Mal hinter sich, und wortlos bildeten sie einen Kreis um sie und geleiteten sie die dunkle Galerie entlang zu Siuans Tür. Schweigen war erforderlich. Jeaine, eine schlanke, kupferhäutige Domani, klopfte dreimal; die grünen Fransen ihrer Stola schwangen hin und her. Siuan öffnete die Tür so schnell, dass sie auf das dritte Klopfen gewartet haben musste. Der Kreis der Schwestern öffnete sich, um sie einzulassen, und beim Anblick Elaidas zuckten ihre Brauen, aber wenigstens verzog sie nicht das Gesicht, dem Licht sei Dank. Moiraine biss die Zähne zusammen, um ein Gähnen zu unterdrücken. Sie würde es zu Ende bringen, ohne die Anstandsregeln zu verletzen.
Mit dem leisen Schlurfen ihrer Slipper auf den Bodenfliesen schritten sie die Korridore des Turms entlang, in denen sich außer ihnen und den flackernden Flammen der Kandelaber nichts bewegte. Es überraschte Moiraine, dass keine Diener zu sehen waren. Ein Großteil ihrer Arbeit spielte sich in den Stunden ab, bevor die Schwestern aufstanden oder nachdem sie sich zur Nacht zurückgezogen hatten. Schweigend stiegen sie zu den Ebenen unterhalb des Turms hinab, gingen hell erleuchtete Gänge entlang und an dunklen Fluren vorbei. Die Flügeltür des Gemachs, in dem man sie und Siuan der Prüfung unterzogen hatte, stand weit geöffnet, aber sie blieben im Korridor stehen, und der Kreis aus Aes Sedai löste sich auf, um hinter den beiden Frauen eine Reihe zu bilden, während sie sich der aufklaffenden Tür zuwandten.
»Wer schreitet dort?«, verlangte Tamras Stimme von innen zu wissen.
»Moiraine Damodred«, antwortete Moiraine klar und deutlich, und auch wenn ihr Gesicht keine Regung zeigte, pochte ihr Herz dennoch aufgeregt. Diesmal vor Freude. Siuan sagte ihren
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