Das Rad der Zeit 1. Das Original
»Als ich wieder zu mir kam, wusste ich nicht
mehr, wo ich war. SchlieÃlich bin ich dann doch hierher zurückgestolpert. Ich
glaube, Aginor ist tot, verbrannt. Ich habe Asche gefunden und Fetzen von
seinem Umhang.«
Die Lügen klangen für ihn so leicht
durchschaubar. Er konnte nicht verstehen, warum sie nicht verächtlich lachten
und verlangten, dass er die Wahrheit sage, aber seine Freunde nickten nur und
gaben ein paar mitfühlende Worte von sich, während sie zu der Aes Sedai gingen,
um ihr zu zeigen, was sie gefunden hatten.
»Helft mir auf«, sagte Moiraine. Nynaeve
und Egwene hoben sie in eine sitzende Stellung, mussten sie aber auch dann noch
stützen.
»Wie konnten diese Sachen im Inneren des
Auges sein«, fragte Mat, »ohne wie dieser Stein zerstört zu werden?«
»Sie waren nicht dorthin gelegt worden,
um zerstört zu werden«, sagte die Aes Sedai kurz angebunden und blockte mit
ihrem Stirnrunzeln weitere Fragen ab. Sie nahm Mat die schimmernden schwarzen
und weiÃen Scherben ab.
Für Rand sahen sie einfach wie Schutt
aus, aber sie setzte sie entschlossen am Boden neben sich zusammen. Sie ergaben
einen perfekten Kreis von der GröÃe einer Männerhand. Das uralte Symbol der Aes
Sedai, die Flamme von Tar Valon, zusammengefügt mit dem Drachenzahn. Einen
Augenblick lang sah Moiraine es sich nur mit ausdruckslosem Gesicht an, dann
nahm sie das Messer aus ihrem Gürtel und gab es Lan, wobei sie in Richtung des
Kreises nickte.
Der Behüter klaubte das gröÃte Stück
heraus, und dann hob er das Messer und stieà es mit aller Kraft darauf
herunter. Ein Funken stob auf, die Scherbe hüpfte unter der Gewalt des Hiebs,
und die Klinge zerbrach mit einem scharfen Knall. Er betrachtete den Stumpf,
der noch am Griff festsaÃ. Dann warf er ihn beiseite. »Der beste Stahl aus
Tear«, sagte er trocken.
Mat hob die Scherbe auf und brummte. Dann
zeigte er sie herum. Es war kein Kratzer darauf zu sehen.
»Cuendillar«, sagte Moiraine. »Herzstein. Seit dem Zeitalter der Legenden ist es niemandem
mehr gelungen, ihn herzustellen, und selbst zu der Zeit wurde er nur für die
wichtigsten Zwecke angefertigt. Wenn er einmal fertig ist, kann ihn nichts mehr
zerstören. Nicht einmal die Eine Macht selbst, auch wenn sie von der gröÃten
Aes Sedai gelenkt würde, die es jemals gab, unterstützt vom stärksten Saâangreal , das je gemacht
wurde. Jede Kraft, die man gegen Herzstein einsetzt, macht ihn nur noch
stärker.«
»Wie ist es dann �« Mats Geste mit der
Scherbe in der Hand umfasste die anderen Bruchstücke am Boden.
»Das war eines der sieben Siegel am
Gefängnis des Dunklen Königs«, sagte Moiraine. Mat lieà die Scherbe fallen, als
glühe sie. Einen Augenblick lang schienen dafür Perrins Augen wieder zu glühen.
Die Aes Sedai sammelte gelassen die Scherben auf.
»Es spielt keine Rolle mehr«, sagte Rand.
Seine Freunde blickten ihn fragend an, und er wünschte, er hätte den Mund
gehalten.
»Selbstverständlich«, antwortete
Moiraine. Aber sie legte sorgfältig alle Bruchstücke in ihre Tasche. »Bringt
mir die Truhe.« Loial hob sie näher zu ihr.
Der Quader aus Gold und Silber schien
keine Ãffnung zu haben, aber die Finger der Aes Sedai glitten über die feinen
Verzierungen, drückten, und mit einem plötzlichen Klicken sprang der Deckel wie
von einer Feder gehoben auf. Innen lag ein gekrümmtes goldenes Horn. Trotz
seines Schimmers erschien es neben der Truhe, in der es sich befand, ganz
unauffällig. Das einzige Ornament war eine Zeile eingelegter silberner Schrift
um das Mundstück herum. Moiraine nahm das Horn so vorsichtig heraus, als trage
sie ein Baby. »Das muss nach Illian gebracht werden«, sagte sie leise.
»Illian!«, murrte Perrin. »Das ist schon
beinahe am Meer der Stürme, fast genauso weit südlich von zu Hause, wie wir
jetzt im Norden sind.«
»Ist es �« Loial hielt inne, um Luft zu
holen. »Kann es sein �«
»Ihr könnt die Alte Sprache lesen?«,
fragte Moiraine, und als er nickte, gab sie ihm das Horn.
Der Ogier nahm es ebenso sanft in die
Hand wie sie und fuhr mit einem breiten Finger vorsichtig die Schrift entlang.
Seine Augen wurden immer gröÃer, und seine Ohren stellten sich senkrecht auf. »Tia mi aven Moridin isainde vadin«, flüsterte er. »Das
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