Das Rad der Zeit 14. Das Original: Das Vermächtnis des Lichts (German Edition)
früher Zugang zu Lews Therins Erinnerungen gehabt, hätte er sich damals in der Fäule niemals so leicht von ihr an der Nase herumführen lassen.
»Dann werde ich dich nicht als eine hilflose Frau ansprechen, die dringend einen heldenhaften Retter braucht«, sagte Lanfear und sah zu, wie er um ihren Kerker herumging. »Sondern als Gleichgestellte, die um Asyl ersucht.«
»Eine Gleichgestellte?« Rand lachte. »Seit wann betrachtest du jemanden als dir gleichgestellt?«
»Meine Gefangenschaft bedeutet dir nichts?«
»Sie schmerzt mich«, sagte er, »aber auch nicht mehr, wie mich geschmerzt hat, dass du dich dem Schatten verschworen hast. Weißt du eigentlich, dass ich dabei war, als du das enthüllt hast? Du hast mich nicht gesehen, denn ich wollte nicht gesehen werden, aber ich habe zugesehen. Beim Licht, Mierin, du hast geschworen, mich zu töten.«
»Habe ich das ernst gemeint?«, fragte sie und drehte sich um, um ihm in die Augen zu blicken.
Hatte sie? Nein, das hatte sie nicht. Jedenfalls nicht in diesem Augenblick. Lanfear tötete niemanden, den sie noch für nützlich hielt, und ihn hatte sie immer als nützlich betrachtet.
»Wir haben einmal etwas ganz Besonderes geteilt«, sagte sie. »Du warst mein …«
»Ich war dein Schmuckstück!«, fauchte Rand. Er holte tief Luft und versuchte sich zu beruhigen. Beim Licht, wie schwer das doch in ihrer Nähe fiel. »Die Vergangenheit ist erledigt. Sie ist mir egal, und ich würde dir mit Freuden eine zweite Chance für das Licht geben. Leider kenne ich dich genau. Du tust es schon wieder. Manipulierst uns, den Dunklen König eingeschlossen. Dir ist das Licht völlig egal. Du interessierst dich nur für Macht, Mierin. Erwartest du allen Ernstes von mir, zu glauben, dass du dich verändert hast?«
»Du kennst mich nicht so gut, wie du glaubst.« Sie beobachtete ihn, wie er die Grenze ihres Kerkers umrundete. »Das hast du nie.«
»Dann beweise es mir.« Rand blieb stehen. »Enthülle mir deinen Geist. Öffne ihn mir völlig. Gib mir die Kontrolle über dich, hier an diesem Ort der beherrschten Träume. Sind deine Absichten rein, befreie ich dich.«
»Um was du mich da bittest, ist verboten.«
Er lachte. »Wann hat dich das je von etwas abgehalten?«
Sie schien darüber nachzudenken; ihre Gefangenschaft schien sie tatsächlich zu beunruhigen. Einst hätte sie über einen derartigen Vorschlag bloß gelacht. Da es sich hier angeblich um einen Ort handelte, an dem er die absolute Kontrolle besaß, falls sie ihm das gestattete, konnte er sie auseinandernehmen und in die Tiefen ihres Verstandes eintauchen.
»Ich …«, sagte Lanfear.
Er machte einen Schritt nach vorn, direkt bis zum Rand ihres Kerkers. Dieses Zittern in ihrer Stimme … das erschien echt. Das erste echte Gefühl, das sie zeigte.
Beim Licht, dachte er und ließ ihren Blick nicht los. Wird sie es tatsächlich tun?
»Ich kann nicht«, sagte sie. »Ich kann nicht.« Beim zweiten Mal sagte sie es leiser.
Rand atmete aus. Seine Hand zitterte. So nahe dran. So nahe am Licht, wie eine Raubkatze in der Nacht, die vor der beleuchteten Scheune auf und ab schlich! Er verspürte Wut, mehr Wut als zuvor. Das tat sie doch jedes Mal! Mit dem zu liebäugeln, was richtig war, aber dann stets den eigenen Weg zu wählen.
»Ich bin fertig mit dir, Mierin«, sagte Rand, wandte sich ab und verließ das Gemach. »Für immer.«
»Du irrst dich in mir!«, rief sie da. »Du hast dich immer in mir geirrt! Würdest du dich jemandem auf diese Weise zeigen? Ich kann das nicht tun. Ich bin zu oft von jenen geschlagen worden, denen ich hätte vertrauen sollen. Von jenen verraten worden, die mich hätten lieben sollen.«
»Du machst mich dafür verantwortlich?« Rand fuhr auf dem Absatz herum.
Sie wich seinem Blick nicht aus. Herrisch saß sie da, als wäre ihr Gefängnis ein Thron.
»In deiner Erinnerung hat sich das wirklich so abgespielt, oder? Du glaubst, ich hätte dich für sie verraten?«
»Du hast gesagt, du liebst mich.«
»Das habe ich nie gesagt. Nie. Das konnte ich nicht. Ich wusste nicht, was Liebe ist. Ein Leben von Jahrhunderten, und ich habe es erst entdeckt, als ich ihr begegnete.« Er zögerte, dann fuhr er fort, sprach aber so leise, dass seine Stimme in der kleinen Höhle nicht einmal hallte. »Du hast dieses Gefühl wirklich nie erlebt, oder? Natürlich nicht. Wer könnte dich schon lieben? Dein Herz gehört bereits vollständig etwas anderem, nämlich der Macht, die du so sehr begehrst. Da
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