Das Rad der Zeit 14. Das Original: Das Vermächtnis des Lichts (German Edition)
brauchte.
»Auch dir ein Lebewohl, alte Freundin«, sagte sie zu ihrer Umgebung. »Bis ich wieder träume.«
Sie gestattete sich zu erwachen.
Wie gewöhnlich wartete Gawyn neben dem Bett. Sie waren wieder in der Burg. Egwene lag vollständig bekleidet in dem Raum neben ihrem Arbeitszimmer. Es war noch nicht Abend, aber sie hatte die Bitte der Weisen Frauen nicht ignorieren wollen.
»Er ist da«, sagte Gawyn leise und warf einen Blick auf die Tür zum Arbeitszimmer.
»Dann wollen wir ihn treffen.« Sie erhob sich und glättete ihren Rock. Sie nickte Gawyn zu, dann gingen sie los, um sich mit dem Wiedergeborenen Drachen zu treffen.
Rand lächelte, als er sie erblickte. Er war in Begleitung zweier ihr unbekannten Töchter.
»Worum geht es?«, fragte sie müde. »Willst du mich davon überzeugen, die Siegel zu brechen?«
»Du bist zynisch geworden«, bemerkte Rand.
»Bei unseren letzten beiden Begegnungen hast du dir absichtlich große Mühe gegeben, mich wütend zu machen«, erwiderte sie. »Sollte ich also nicht damit rechnen?«
»Ich will dich nicht aufbringen«, sagte Rand. »Sieh her.« Er zog etwas aus der Tasche. Ein Haarband. Er hielt es ihr entgegen. »Du hast es nie erwarten können, dein Haar zu einem Zopf flechten zu dürfen.«
»Also bin ich jetzt ein Kind, willst du das damit sagen?«, fragte Egwene ärgerlich. Gawyn legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter.
»Was? Nein!« Rand seufzte. »Beim Licht, Egwene. Ich will mich entschuldigen. Du bist wie eine Schwester für mich; ich hatte nie Geschwister. Oder zumindest kennen mich die, die ich habe, nicht. Ich habe nur dich. Bitte. Ich will dich wirklich nicht ärgern.«
Einen Augenblick lang erschien er genau wie vor langer Zeit. Ein unschuldiger und ernsthafter Junge. Egwene ließ ihren Zorn dahinschmelzen. »Rand, ich habe viel zu tun. Wir haben beide viel zu tun. Dafür ist jetzt keine Zeit. Deine Armeen sind ungeduldig.«
»Ihre Zeit kommt bald«, sagte Rand, und seine Stimme wurde härter. »Bevor das hier zu Ende ist, werden sie sich fragen, warum sie es nicht abwarten konnten, und voller Sehnsucht auf diese ruhigen Tage zurückblicken.« Er hielt noch immer das Haarband auf der Hand und schloss jetzt die Faust darum. »Ich wollte bloß … Ich wollte bloß nicht in meinen Kampf ziehen, solange unsere letzte Begegnung ein Streit war, wenn auch sicherlich ein wichtiger.«
»Ach, Rand.« Egwene trat vor und nahm das Haarband entgegen. Sie umarmte ihn. Beim Licht, in letzter Zeit war er so schwierig in allem gewesen – aber das dachte sie gelegentlich auch über ihre Eltern. »Ich unterstütze dich. Das heißt nicht, dass ich so mit den Siegeln verfahre, wie du es willst, aber ich unterstütze dich.«
Sie ließ Rand los. Ihr würden nicht die Tränen kommen! Selbst wenn es ihr wie ihr letzter Abschied voneinander vorkam.
»Wartet«, sagte Gawyn. »Geschwister? Ihr habt Geschwister?«
»Ich bin Tigraines Sohn«, sagte Rand und zuckte mit den Schultern. »Ich kam zur Welt, nachdem sie in die Wüste zog und eine Tochter des Speers wurde.«
Gawyn erschien völlig verblüfft, aber Egwene hatte das schon vor Jahren herausbekommen. »Ihr seid Galads Bruder ?«, fragte Gawyn ungläubig.
»Halbbruder«, erwiderte Rand. »Nicht dass das einem Weißmantel vermutlich viel bedeuten würde. Wir hatten dieselbe Mutter. Sein Vater war genau wie Eurer Taringail, aber meiner war ein Aiel.«
»Ich glaube, Galad würde Euch überraschen«, sagte Gawyn leise. »Aber Elayne …«
»Ich muss Euch nicht Eure eigene Familiengeschichte erklären, aber Elayne ist nicht mit mir verwandt.« Rand wandte sich Egwene zu. »Darf ich sie sehen? Die Siegel. Bevor ich zum Shayol Ghul gehe, würde ich sie gern noch ein letztes Mal sehen. Ich verspreche auch, nichts mit ihnen zu machen.«
Zögernd fischte sie sie aus der Tasche an ihrem Gürtel, wo sie sie oft trug. Der noch immer völlig überrascht aussehende Gawyn trat ans Fenster, stieß es auf und ließ Licht in den Raum. Die Weiße Burg fühlte sich immer noch … verstummt an. Ihre Heere waren abgerückt, ihre Herren waren in den Krieg gezogen.
Egwene wickelte das erste Siegel aus und gab es Rand. Sie würde sie ihm nicht alle auf einmal geben. Nur für alle Fälle. Natürlich vertraute sie seinem Wort; schließlich handelte es sich hier um Rand, aber … nur für alle Fälle.
Rand hielt das Siegel in die Höhe und starrte es an, als suchte er Weisheit in der Schlangenlinie. »Ich habe sie
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