Das Rad der Zeit 14. Das Original: Das Vermächtnis des Lichts (German Edition)
überzeugt war, sie überrascht zu haben, denn sie blieb abrupt stehen. »Ich sollte nicht hier sein«, flüsterte sie. »Ich treibe meine Ehre an den Rand dessen, was erlaubt sein sollte.«
»Es ist die Letzte Schlacht, Chiad«, erwiderte er. »Da dürft Ihr ein paar Grenzen dehnen … vorausgesetzt, wir haben noch nicht gewonnen.«
»Die Schlacht bei Merrilor ist gewonnen, aber die größere Schlacht – die bei Thakan’dar – wütet noch immer.«
»Ich muss mich wieder an die Arbeit machen«, sagte Perrin. Er trug lediglich seinen Lendenschurz. Aber davon ließ er sich nicht abhalten. Eine Aiel wie Chiad würde nicht erröten. Er schlug die Decke zur Seite.
Leider war die tief in seinen Knochen sitzende Müdigkeit kaum weniger geworden. »Befehlt Ihr mir nicht, im Bett zu bleiben?«, fragte er und suchte nach Hemd und Hose. Sie lagen zusammengefaltet mit seinem Hammer am Fuß des Bettes auf einem Abstelltisch. Als er darauf zuging, musste er sich auf der Matratze abstützen. »Seid Ihr nicht der Ansicht, dass ich nicht kämpfen soll, während ich so erschöpft bin? Jede Frau, der ich hier begegnete, scheint das für ihre dringendste Sorge zu halten.«
»Ich bin zu der Ansicht gelangt«, erwiderte Chiad trocken, »dass es Männer nur noch dümmer macht, wenn man sie auf ihre Dummheit hinweist. Außerdem bin ich Gai’shain . Es steht mir nicht zu.«
Er blickte sie an, und auch wenn er in der Dunkelheit ihr Erröten nicht sehen konnte, konnte er dennoch ihre Verlegenheit riechen. Sie verhielt sich nicht gerade wie eine Gai’shain . »Rand hätte euch alle einfach von euren Eiden befreien sollen.«
»Diese Art Macht hat er nicht«, sagte sie hitzig.
»Was nutzt denn die Ehre, wenn der Dunkle König die Letzte Schlacht gewinnt?«, fauchte Perrin und stieg in seine Hosen.
»Sie bedeutet alles«, erwiderte Chiad. »Sie ist den Tod wert, sie ist es wert, die Welt selbst aufs Spiel zu setzen. Wenn wir keine Ehre haben, dann wäre es besser, wenn wir verlieren.«
Nun, vermutlich gab es Dinge, über die er das Gleiche sagen würde. Natürlich würde er keine albernen weißen Gewänder tragen – aber er würde so manches nicht tun, was die Weißmäntel getan hatten, selbst wenn die Welt auf dem Spiel stand. Er bedrängte sie nicht weiter.
»Warum seid Ihr hier?«, fragte er und schlüpfte in das Hemd.
»Gaul«, sagte Chiad. »Ist er …«
»O beim Licht!«, sagte Perrin. »Ich hätte Euch das schon längst sagen müssen. In letzter Zeit habe ich Eisenschrott statt eines Verstands, Chiad. Als ich ihn verließ, ging es ihm gut. Er befindet sich noch immer im Traum, und dort, wo er ist, vergeht die Zeit viel langsamer. Vermutlich ist für ihn nur eine Stunde vergangen, aber ich muss zu ihm zurückkehren.«
»In Eurem Zustand?«, fragte sie und ignorierte die Tatsache, dass sie eben noch gesagt hatte, ihm das nicht vorzuhalten.
»Nein.« Perrin setzte sich aufs Bett. »Beim letzten Mal habe ich mir dabei beinahe den Hals gebrochen. Ich brauche eine Aes Sedai, die mich von meiner Erschöpfung kuriert.«
»Das ist gefährlich«, sagte Chiad.
»Gefährlicher, als Rand sterben zu lassen? Gefährlicher, als Gaul ohne Verbündete in der Welt der Träume zu lassen, wo er den Car’a’carn allein beschützt?«
»Der sticht sich doch eher mit dem eigenen Speer selbst in den Fuß, wenn er allein kämpfen muss«, sagte Chiad.
»Ich meinte nicht …«
»Schon gut, Perrin Aybara. Ich versuche es.« Sie ging mit raschelndem Gewand.
Perrin legte sich wieder hin und rieb sich mit den Handkanten die Augen. Bei dem letzten Kampf gegen den Schlächter war er viel selbstbewusster gewesen, und er war trotzdem gescheitert. Er knirschte mit den Zähnen und hoffte, dass Chiad bald zurückkehrte.
Etwas bewegte sich außerhalb seines Zimmers. Mühsam setzte er sich wieder auf.
Ein großer Schemen verdunkelte den Eingang, dann entfernte er die Klappe von einer Lampe. Meister Luhhan war wie ein Amboss gebaut, mit einem stämmigen und doch kraftvollen Oberkörper und gewaltigen Armen. In Perrins Vorstellung hatte der Mann nicht ein einziges graues Haar. Meister Luhhan war älter geworden, aber keineswegs hinfälliger. Perrin bezweifelte, dass das je passieren würde.
»Lord Goldauge?«, fragte er.
»Licht, bitte«, erwiderte Perrin. »Meister Luhhan, gerade Ihr von allen Leuten solltet Euch doch dazu überwinden können, mich einfach Perrin zu nennen. Oder gleich ›mein nichtsnutziger Lehrling‹.«
»Also Augenblick
Weitere Kostenlose Bücher