Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
wieder durch ihr eigenes Leben. Ihre Zukunft lag ausgebreitet vor ihr, all die möglichen Zukünfte, die von jeder Entscheidung abhingen, die sie den Rest ihres Lebens über traf. Auch der Tod war hier durchaus möglich; manche Frauen konnten der Zukunft nicht ins Auge sehen, und manche nicht ihrer Vergangenheit. Natürlich war es für einen menschlichen Verstand zu viel, alle möglichen Zukunftslinien zu behalten. Die meisten verschwammen miteinander und verblichen dann, aber eine Frau gewann doch einen gewissen Überblick über Dinge, die in ihrem Leben geschehen konnten, die geschehen würden oder auch mussten. Für gewöhnlich war aber auch das verborgen, bis der Augenblick des Geschehens herannahte. Allerdings nicht immer. Moiraine war durch diese Ringe getreten.
Ein Löffel voll Hoffnung und ein Becher voll Verzweiflung, dachte sie.
»Es gefällt mir nicht, dich so zu sehen«, sagte Lan. Sowieso schon hochgewachsen und dann noch auf Mandarbs Rücken, blickte er auf sie herab, und Unruhe vertiefte die Fältchen um seine Augen. Das bedeutete bei ihm mindestens so viel wie Tränen der Verzweiflung bei einem anderen Mann.
Aiel strömten zu beiden Seiten an ihren Pferden vorbei und dazu Gai’shain mit Packtieren. Moiraine war überrascht, zu bemerken, dass Kaderes Wasserwagen ebenfalls schon vorbeigerumpelt sein mussten. Es war ihr nicht bewusst gewesen, dass sie so in den Anblick des Platzes versunken gewesen war.
»So? Was meinst du damit?«, fragte sie, wobei sie ihre Stute wenden ließ, um sich dem Strom der Menschen anzuschließen. Rand und seine Eskorte hatten bereits die Grenze der Stadt überschritten.
»Besorgt«, sagte er geradeheraus, und auf seinem aus Stein gemeißelten Gesicht zeigte sich kein Ausdruck mehr. »Voller Angst. Ich habe noch nie gesehen, dass du vor etwas Angst hattest, auch nicht, als wir von Trollocs und Myrddraal überrannt wurden, nicht einmal, als du erfuhrst, dass die Verlorenen frei seien und Sammael uns beinahe schon erreicht hatte. Naht das Ende nun?«
Sie zuckte zusammen und verwünschte das im selben Augenblick. Er blickte wohl über den Kopf seines Hengstes hinweg geradeaus nach vorn, doch dem Mann entging niemals etwas. Manchmal glaubte sie, er bemerke sogar ein Blatt, das hinter ihm vom Baum fiel. »Meinst du Tarmon Gai’don? Ein Rotkehlchen in Seleisin weiß genauso viel darüber wie ich. Das Licht gebe, dass es noch nicht soweit ist, dass noch immer alle Siegel halten.« Das paar Siegel, dass sie nunmehr in Besitz hatte, befand sich ebenfalls auf Kaderes Wagen, jedes einzeln verpackt in einer mit Wolle ausgestopften Kiste. Es war ein anderer Wagen als der mit dem Sandstein-Türrahmen; darauf hatte sie persönlich geachtet.
»Was könnte ich sonst wohl meinen?«, fragte er bedächtig. Er sah sie noch immer nicht an, und sie hätte sich auf die Zunge beißen mögen. »Du bist so … ungeduldig geworden. Ich erinnere mich daran, wie du wochenlang auf eine einzige kleine Information gewartet hast, ein Wort nur, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, aber jetzt …« Nun blickte er sie an, und dieser Blick aus seinen blauen Augen hätte die meisten Frauen eingeschüchtert. Und die meisten Männer ebenso. »Der Eid, den du dem Jungen geschworen hast, Moiraine. Was beim Licht hatte dich da gepackt?«
»Er hat sich immer weiter von mir entfernt, Lan, und ich muss ihm nahe sein. Er benötigt jedes bisschen Führung, das ich ihm geben kann, und ich werde alles tun, außer sein Bett mit ihm zu teilen, um ihm diese Führung zu geben.« Die Ringe hatten ihr gesagt, dass das zur Katastrophe führen würde. Nicht, dass sie jemals auch nur daran gedacht hätte – selbst der bloße Gedanke schockierte sie –, aber in den Ringen gehörte es zu den Dingen, die sie sich in der Zukunft überlegen könnte oder würde. Das war zweifellos ein sicheres Zeichen ihrer wachsenden Verzweiflung, und in den Ringen hatte sie gesehen, dass sie damit alles ruinieren würde – alles. Sie wünschte, sie könne sich daran erinnern, auf welche Weise. In allem, was sie über Rand al’Thor in Erfahrung bringen konnte, lag ein weiterer Schlüssel zu seiner Person. Doch nur die einfache Tatsache des drohenden Verhängnisses war ihr im Gedächtnis geblieben.
»Vielleicht wird es dir helfen, noch demütiger zu werden, wenn er dich seine Pantoffeln holen und seine Pfeife anzünden lässt.«
Sie blickte ihn mit großen Augen an. Sollte das ein Scherz gewesen sein? Wenn ja, amüsierte es sie
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