Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
den bleichen Haaren. »Es sind S’redit , aber Meister Luca hielt einen leichter aussprechbaren Namen für vorteilhafter.« Diese schleppende Aussprache war unverkennbar.
»Gibt es viele S’redit in Seanchan?«
Der Stachelstock hielt einen Moment lang inne und setzte dann das Kratzen fort. »Seanchan? Wo ist das? Diese S’redit stammen aus Shara, genau wie ich. Ich habe noch nie von …«
»Vielleicht habt Ihr Shara gesehen, Cerandin, aber ich bezweifle es. Ihr seid eine Seanchanerin. Wenn ich mich nicht irre, wart Ihr an der Invasion auf der Toman-Halbinsel beteiligt und wurdet nach Falme dort zurückgelassen.«
»Daran besteht gar kein Zweifel«, sagte Elayne, die in diesem Augenblick neben sie trat. »Wir haben den Akzent der Seanchaner in Falme gehört, Cerandin. Wir werden Euch nichts antun.«
Das war mehr, als Nynaeve zu versprechen bereit war. Ihre Erinnerungen an die Seanchaner waren alles andere als angenehm. Und doch … Eine Seanchanerin half dir, als du Hilfe brauchtest. Sie sind nicht alle böse. Nur eben die meisten.
Cerandin atmete tief aus und sackte ein wenig in sich zusammen. Es war, als wiche eine Anspannung endlich aus ihr, die so lange schon vorhanden gewesen war, dass sie sich ihrer gar nicht mehr bewusst war. »Nur wenige Menschen, die ich kennengelernt habe, wissen etwas, das auch nur annähernd der Wahrheit über Die Wiederkehr oder Falme entspräche. Ich habe hundert Geschichten gehört, jede wilder als die andere, aber noch nie die Wahrheit. Was für mich durchaus günstig war. Ich wurde tatsächlich zurückgelassen, genau wie viele der S’redit . Diese drei waren alle, die ich zusammentreiben konnte. Ich weiß nicht, was mit den anderen geschehen ist. Der Bulle heißt Mer, die Kuh Sanit und das Kalb Nerin. Es stammt aber nicht von Sanit .«
»Habt Ihr das vorher auch schon getan?«, fragte Elayne. » S’redit dressiert?«
»Oder wart Ihr eine Sul’dam ?«,fügte Nynaeve hinzu, bevor die andere antworten konnte.
Cerandin schüttelte den Kopf. »Ich wurde wie alle Mädchen überprüft, aber ich brachte nichts mit dem A’dam zustande. Ich war froh, für die Arbeit mit den S’redit ausgewählt zu werden. Das sind prachtvolle Tiere. Ihr wisst aber eine Menge, wenn Ihr sogar über die Sul’dam und die Damane Bescheid wisst. Ich bin zuvor noch nie auf jemanden gestoßen, der davon etwas wusste.« Sie zeigte keinerlei Furcht. Oder vielleicht war ihre ganze Furcht einfach ausgebrannt, seit sie sich allein in einem fremden Land zurückgelassen fand. Andererseits konnte sie auch lügen.
Die Seanchaner verhielten sich Frauen gegenüber, die mit der Macht arbeiten konnten, genauso schlimm oder noch schlimmer wie die Leute in Amadicia. Sie schickten sie nicht fort oder töteten sie, nein, bei ihnen wurden sie gefangengehalten und benützt. Mithilfe einer Vorrichtung, die man A’dam nannte und bei der Nynaeve sicher war, dass es sich um eine Art von Ter’angreal handelte, wurde eine Frau mit der Fähigkeit, die Eine Macht zu benützen, von einer anderen Frau völlig beherrscht. Diese andere nannte man Sul’dam , und sie zwang die Damane dazu, ihr Talent so einzusetzen, wie es die Seanchaner wünschten, sogar als Waffe. Eine Damane war nicht mehr als ein Tier wenn auch ein wohlgepflegtes. Und sie machten jede, absolut jede Frau mit der Fähigkeit, die Macht zu lenken oder auch nur mit den Ansätzen dieser Fähigkeit zur Damane . So hatten die Seanchaner auch die Toman-Halbinsel gründlicher abgesucht, als sich die Burg jemals träumen ließ. Bei dem bloßen Gedanken an A’dam und Sul’dam und Damane drehte sich Nynaeve schon der Magen um.
»Wir wissen ein wenig«, sagte sie zu Cerandin, »aber wir wollen mehr erfahren.« Die Seanchaner waren fort, von Rand vertrieben, aber das hieß ja nicht, dass sie nicht eines Tages wiederkehren würden. Es war eine ferne Gefahr, die da über ihnen schwebte, wenn man alles andere bedachte, was an Hindernissen in ihrem Weg lag, aber nur, weil man bereits einen Dorn im Fuß hatte, hieß das ja nicht, dass sich der Kratzer am Arm nicht entzünden und eitern würde. »Es wäre gut für Euch, wenn Ihr unsere Fragen immer wahrheitsgemäß beantwortet.« Auf der Reise nach Norden war Zeit genug für Fragen.
»Ich verspreche Euch, das Euch nichts geschehen wird«, fügte Elayne hinzu. »Ich werde Euch beschützen, wenn es notwendig ist.«
Der Blick der Frau mit dem offensichtlich gebleichten Haar wanderte von einer zur anderen, und mit einem Mal
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