Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
einen Lord, aber er stand offen und sah aus, als habe Mat darin geschlafen. »Wir … Wir hatten an jedem Tor nur einen Wächter. Es ist schon so lange her, dass jemand einen der Wilden zu Gesicht bekam. Aber diesmal … Was sie nicht stahlen, das verbrannten sie, und uns haben sie hinausgetrieben, um dort zu verhungern. Schmutzige Tiere! Dem Licht sei Dank, dass Ihr gekommen seid, uns zu retten, Lord, oder wir wären hier allesamt gestorben. Ich heiße Tal Nethin. Ich bin – oder war – Sattler. Ein guter, mein Lord. Das hier sind meine Schwester Aril und ihr Mann, Ander Corl. Er fertigt schöne Stiefel an.«
»Sie haben auch Menschen verschleppt, mein Lord«, sagte die Frau mit rauer Stimme. Sie war etwas jünger als ihr Bruder und mochte wohl einst hübsch gewesen sein, doch nackte Angst und Not hatten Furchen in ihr Gesicht gegraben, die, wie Rand vermutete, nie mehr daraus verschwinden würden. Ihr Mann hatte etwas Verlorenes in seinem Blick, als sei ihm nicht ganz klar, wo er sich befand. »Meine Tochter, Lord, und meinen Sohn. Sie haben alle jungen Leute mitgenommen, jeden über sechzehn und manche, die auch schon doppelt so alt waren oder mehr. Sagten, sie seien jetzt Gai … irgendetwas, rissen ihnen auf offener Straße die Kleider vom Leib und trieben sie fort. Mein Lord, könnt Ihr …?« Sie ließ ihre Worte verklingen und schloss die Augen, überwältigt von der Unmöglichkeit dieses Unterfangens, und wankte. Die Chancen, dass sie ihre Kinder je wiedersehen würde, waren gering.
Moiraine war blitzschnell aus dem Sattel und an Arils Seite. Die ausgezehrte Frau keuchte laut auf, als die Hände der Aes Sedai sie berührten. Sie bebte bis an die Zehenspitzen. Ihr staunender Blick stellte Moiraine eine offene Frage, doch die hielt sie nur fest, als wolle sie sie stützen.
Der Ehemann der Frau riss plötzlich Augen und Mund auf, als er Rands vergoldete Gürtelschnalle entdeckte, das Geschenk Aviendhas. »Seine Arme trugen die gleichen Zeichen! Genau wie die. Rundherum gewunden, wie eine Klippschlange.«
Tal blickte unsicher zu Rand auf. »Der Anführer der Wilden, Lord. Er – er hatte Zeichen wie diese an den Armen. Er trug diese eigenartige Kleidung, die sie immer anhaben, aber er hatte sich die Ärmel abgeschnitten, und er sorgte dafür, dass alle die Zeichen sehen konnten.«
»Ein Geschenk, das ich in der Wüste erhielt«, sagte Rand. Er bemühte sich, die Hände ruhig am Sattelhorn zu halten, denn bis auf die Köpfe wurden seine eigenen Drachen von den Mantelärmeln verborgen. Die Köpfe allerdings waren für jeden sichtbar, der seine Handrücken genauer betrachtete. Aril hatte ganz vergessen, Moiraine zu fragen, was sie eigentlich mit ihr angestellt habe, und alle drei schienen, als wollten sie jeden Augenblick wieder wegrennen. »Wie lange sind sie schon weg?«
»Sechs Tage, mein Lord«, antwortete Tal nervös. »Was sie anrichteten, geschah innerhalb einer Nacht und eines Tages. Am nächsten waren sie wieder verschwunden. Wir wären ja auch geflohen, aber was, wenn wir ihnen auf ihrem Rückweg in die Arme gelaufen wären? Bestimmt wurden sie doch in Selean zurückgeworfen?« Das war die Stadt an der anderen Seite des Passes. Rand bezweifelte, dass sich Selean mittlerweile in einem anderen Zustand befand als Taien.
»Wie viele Überlebende gibt es noch außer Euch dreien?«
»Vielleicht hundert, mein Lord. Vielleicht mehr. Niemand hat sie gezählt.«
Urplötzlich stieg Zorn in ihm auf, obwohl er sich zu beherrschen versuchte. »Hundert von Euch?« Seine Stimme klang wie rostiges Eisen. »Und sechs Tage? Warum sind dann Eure Toten immer noch den Raben überlassen? Warum hängen noch immer die Leichen an der Stadtmauer? Das ist Euer Volk, dessen Verwesungsgestank Eure Nasen füllt!« Die drei schoben sich dichter aneinander und wichen vor seinem Pferd zurück.
»Wir hatten Angst, mein Lord«, sagte Tal heiser. »Sie gingen wohl weg, aber sie könnten zurückkehren. Und er befahl uns … Der mit den Zeichen an den Armen sagte uns, wir dürften nichts berühren.«
»Eine Botschaft«, sagte Ander mit leiser Stimme. »Er wählte willkürlich diejenigen, die gehängt werden sollten, holte einfach welche heraus, bis es genug waren, um die ganze Mauer mit ihren Leichen zu schmücken. Männer, Frauen – es war ihm gleich.« Sein Blick war auf Rands Gürtelschnalle gerichtet. »Er sagte, sie stellten eine Botschaft an einen Mann dar, der ihm folgen werde. Er sagte, er wolle diesen Mann wissen
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