Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
hatte. Mit einer abrupten Bewegung klatschte sie in die Hände, und eine der Gai’shain erschien, fiel sofort auf die Knie und begann damit, die Federn aufzusammeln.
»Es ist mein Zelt«, sagte er betont. Aviendha schnaubte, wobei sie Egwene perfekt imitierte. Diese beiden Frauen verbrachten entschieden zu viel Zeit miteinander.
Das Abendessen wurde bei Einbruch der Dunkelheit hereingebracht und bestand aus dem üblichen hellen Fladenbrot und einem würzigen Eintopf mit getrockneter Paprika, Bohnen und Brocken beinahe weißen Fleisches. Er grinste sie lediglich an, als er erfuhr, dass es sich um das Fleisch der Blutschlange handle. Er hatte seit seiner Ankunft in der Wüste schon öfters Schlangen und Schlimmeres gegessen. Gara, diese giftige Eidechsenart, war seiner Meinung nach das Schlimmste gewesen, nicht des Geschmacks wegen, der dem eines Huhns ähnelte, sondern weil es eben eine Eidechse gewesen war. Manchmal schien es ihm, in der Wüste gebe es mehr giftige Dinge wie Schlangen, Eidechsen, Spinnen oder auch Pflanzen als in der ganzen übrigen Welt zusammen.
Aviendha schien enttäuscht, dass er nicht das Fleisch angeekelt wieder ausspie. Allerdings war es manchmal schon recht schwierig, ihrer Miene abzulesen, was sie empfand. Gelegentlich machte es ihr ausgesprochenen Spaß, ihn in Verlegenheit zu bringen. Hätte er jemals versucht, vorzugeben, dass er ein Aiel sei, so würde sie sich mit Sicherheit prompt bemühen, ihm zu beweisen, dass er keiner sei.
Er war müde und sehnte sich nach Schlaf. So zog er lediglich Mantel und Stiefel aus, bevor er unter die Decken kroch und Aviendha den Rücken zuwandte. Aielmänner und -frauen mochten ja zusammen ins Dampfbad gehen, aber während seines kurzen Aufenthalts in Shienar, wo sie ähnliche Bräuche hatten, war er zu den Überzeugung gekommen, dass dies nichts für ihn war. Er würde vermutlich so rot werden, dass er daran starb. Er bemühte sich auch, nicht dem Rascheln ihrer Kleidung zu lauschen, als sie sich unter ihren eigenen Decken auszog. Wenigstens zeigte sie in dieser Hinsicht Keuschheit, doch vorsichtshalber drehte er sich nicht nach ihr um.
Sie behauptete, bei ihm schlafen zu müssen, damit sie ihren Unterricht in Sitten und Gebräuchen der Aiel fortsetzen konnte, da er am Tage so viel Zeit mit den Häuptlingen verbringe. Sie beide wussten, dass es eine Lüge war, obwohl er sich nicht vorstellen konnte, was die Weisen Frauen auf diese Art eigentlich herausfinden wollten. Sie ächzte hier und da ein wenig, als sie an etwas zog oder riss, und dann knurrte sie in sich hinein.
Um die leisen Geräusche zu übertönen und zu vergessen, was sie bedeuteten, sagte er: »Melaines Hochzeit war beeindruckend. Hat Bael wirklich nichts davon gewusst, bis Melaine und Dorindha ihn aufklärten?«
»Natürlich nicht«, erwiderte sie verächtlich. Dann hielt sie inne und er glaubte, sie ziehe gerade einen Strumpf aus. »Warum sollte er es erfahren, bevor Melaine ihm den Brautkranz vor die Füße legte und ihr um seine Hand bat?« Unvermittelt lachte sie auf. »Melaine hat sich selbst und Dorindha beinahe verrückt gemacht, weil sie für den Brautkranz unbedingt Segadeblüten haben wollte. So nahe an der Drachenmauer wachsen nicht viele.«
»Hat das irgendeine besondere Bedeutung? Segadeblüten?« Die hatte er ihr auch bringen lassen, doch sie hatte nie ein Wort darüber verloren.
»Dass sie von Natur aus reizbar ist und auch so bleiben will.« Wieder legte sie eine Pause ein und murmelte lediglich etwas vor sich hin. »Hätte sie Blätter oder Blumen der Süßwurzel gesandt, dann hätte das bedeutet, dass sie einen süßen und lieben Charakter habe. Taubeere bedeutet dagegen, sie sei unterwürfig, und … Es ist einfach zu viel, um es aufzuzählen. Ich würde Tage brauchen, Euch alle möglichen Kombinationen beizubringen, und Ihr müsst sie auch gar nicht wissen. Ihr werdet keine Aiel zur Frau haben. Ihr gehört zu Elayne.«
Er hätte sie beinahe groß angeschaut, als sie das Wort ›unterwürfig‹ gebrauchte. Er konnte sich keinen Ausdruck vorstellen, der weniger zu einer Aielfrau gepasst hätte. Vielleicht heißt das, sie warnt dich erst, bevor sie dich erdolcht.
Am Ende hatte ihre Stimme leicht gedämpft geklungen. Ihm wurde bewusst, dass sie gerade ihre Bluse über den Kopf zog. Er wünschte, die Lampen wären gelöscht. Aber nein, das hätte es noch schlimmer gemacht. Doch andererseits hatte er das jede Nacht mitgemacht, seit sie Rhuidean verlassen hatten,
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