Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
sowieso nicht auf sie hörte, war Reden nutzlos.
Siuan schüttelte den Kopf und ließ Bela wieder die Führung übernehmen. Sie klammerte sich an die Zügel, als fürchte sie, dass die lammfromme Stute im nächsten Moment mit ihr durchging. Leane begann wieder mit seidiger Stimme Logain zu beschwatzen und seelisch aufzurichten. Vielleicht empfand sie ja wirklich etwas für ihn; das wäre auch nicht eigenartiger als Mins eigene Liebesgeschichte.
Bewaldete Hügel glitten an ihren Augen vorüber. Nichts änderte sich an dieser Landschaft, die nur aus Bäumen, verfilzten Kräutern und Dornbüschen zu bestehen schien. Die Farnreihe, wo einst die alte Straße gewesen war, zog sich pfeilgerade hin. Leane hatte gesagt, die Beschaffenheit der Erde sei anders, wo die Straße einst verlaufen war. Woher sollte Min das wissen? Manchmal keckerten ihnen Eichhörnchen mit Haarbüscheln an den Ohren von irgendeinem Ast aus zu, und gelegentlich sang ein Vogel. Min hatte keine Ahnung, welche Arten von Vögeln das sein konnten. Baerlon war vielleicht keine richtige Stadt, wenn man es mit Caemlyn oder Illian oder Tear verglich, aber sie war eben eine Stadtbewohnerin, und ein Vogel war nur ein Vogel für sie. Außerdem war ihr völlig gleichgültig, auf welcher Art von Boden Farne wuchsen.
Wieder traten Zweifel an die Oberfläche ihres Bewusstseins. Das war ihr seit Korequellen immer wieder passiert, aber anfangs war es noch leichter gewesen, sie zu unterdrücken. Doch seit Lugard waren sie ständig stärker geworden, und sie ertappte sich dabei, wie sie Siuan in einem ganz anderen Licht betrachtete als früher. Nicht, dass sie es gewagt hätte, Siuan tatsächlich damit zu konfrontieren – natürlich nicht! Aber das bereits ärgerte sie, auch wenn sie es nur vor sich selbst im Stillen zugab. Aber vielleicht hatte Siuan ja wirklich keine Ahnung, wohin sie eigentlich zogen? Sie konnte ja nun lügen, denn einer Dämpfung unterzogen zu werden hieß auch, von den Drei Eiden entbunden zu sein. Vielleicht hoffte sie lediglich, eine fortgesetzte Suche werde sie endlich auf die Spur dessen bringen, wonach sie so verzweifelt suchte. Auf gewisse Weise, und ganz gewiss auf eine sehr eigenartige, hatte Leane damit begonnen, ihr eigenes Leben zu führen, losgelöst von den Banden der Politik, der Einen Macht und Rands. Sie hatte diese Dinge wohl nicht ganz aufgegeben, aber im Falle Siuans glaubte Min, dass diese überhaupt nichts anderes habe, woran sie sich klammern konnte. Die Weiße Burg und der Wiedergeborene Drache hatten ihr ganzes Leben ausgefüllt, und daran würde sie festhalten, auch wenn sie sich selbst belügen musste.
Übergangslos gelangten sie aus dem Wald heraus zu einem großen Dorf. Min blickte ganz verblüfft drein. Süßholz und Eichen und ein paar kümmerliche Kiefern – diese Baumarten kannte sie immerhin – standen bis auf fünfzig Schritt Entfernung von den strohgedeckten Häusern, erbaut aus rundgeschliffenen Flusssteinen, die sich an niedrige Hügel schmiegten. Sie hätte darauf wetten können, dass sich vor nicht allzu langer Zeit der Wald noch durch das ganze Dorf hindurchgezogen hatte. Zwischen einigen der Häuser standen nämlich tatsächlich noch kleine Baumgruppen, teilweise direkt an den Hauswänden, und hier und da sah sie frische Baumstümpfe vor den Häusern stehen. Die Straßen wirkten auch noch wie frisch angelegt. Ihre Oberfläche war noch nicht von Generationen von Füßen hartgetreten. Männer in Hemdsärmeln deckten gerade drei große Steinwürfel mit Strohbündeln ab. Das mussten wohl Schenken sein. Bei einer hing sogar noch ein verblasstes, verwittertes Schild über dem Eingang, aber sie konnte nirgendwo Reste früherer Strohdächer entdecken. Wenn man es an der Anzahl der sichtbaren Männer maß, befanden sich viel zu viele Frauen draußen, und wiederum an deren Zahl gemessen, spielten zu wenige Kinder auf der Straße. Das einzig Normale an diesem Ort war der Geruch nach Mittagessen, der in der Luft lag.
Wenn schon der erste Anblick Min überrascht hatte, dann wäre sie bei näherem Hinsehen beinahe aus dem Sattel gefallen. Die jüngeren Frauen, die aus den Fenstern Decken ausschüttelten oder mit irgendeinem Auftrag unterwegs waren, trugen einfache Wollkleider, aber sie hatte noch nie in einem Dorf derart viele Frauen in Reitkleidern aus Seide oder feinster Wolle gesehen, in jeder möglichen Farbe und jedem Schnitt. Um diese Frauen herum und auch um die meisten Männer flackerten Auren, und Bilder
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