Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
genug und könne ihn mehr lehren, als er tatsächlich konnte. Das würde ihr ähnlich sehen. Er wusste nicht genau, ob dieser Gedanke von ihm oder von Lews Therin stammte, doch er war sich sicher, dass es stimmte.
Die lange Pause machte Asmodean so nervös, dass er sich wieder die Lippen lecken musste. »Ein oder zwei Tage hier spielen keine Rolle. Dann seid Ihr sowieso entweder zurück oder tot. Lasst mich meine Loyalität beweisen. Vielleicht kann ich etwas tun. Ein Hauch mehr Gewicht auf Eurer Seite könnte den Ausschlag für Euch geben.« Noch einmal floss Saidin in ihn, wenn auch wieder nur einen Moment lang. Rand spürte, wie er sich anstrengte, doch es blieb bei einem dünnen Rinnsal. »Ihr wisst ja, welche Wahl ich habe. Ich hänge an jenem Grasbüschel am Rande des Abgrunds und bete darum, dass es noch einen Herzschlag länger halten möge. Scheitert Ihr, bin ich schlimmer dran als nur einfach tot. Ich muss dafür sorgen, dass Ihr gewinnt und überlebt.« Plötzlich fiel ihm Aviendha wieder auf, und ihm schien bewusst zu werden, dass er möglicherweise zu viel gesagt hatte. Sein Lachen klang ziemlich hohl. »Wie könnte ich sonst Lieder zum Ruhm des Lord Drachen komponieren? Ein Barde braucht Material, das er verarbeiten kann.« Äußerlich machte sich die Hitze bei Asmodean nie bemerkbar. Er behauptete, das liege an seiner geistigen Einstellung und nicht am Gebrauch der Macht. Jetzt rannen ihm jedoch Schweißtropfen über die Stirn.
Unter seinen Augen oder lieber zurücklassen? Vielleicht würde er sich irgendein Versteck suchen, wenn er sich zu fragen begann, was in Caemlyn geschehen sei? Asmodean würde immer derselbe Mann bleiben, bis er starb und wiedergeboren wurde, und vielleicht sogar noch danach. »Unter meinen Augen«, sagte Rand leise. »Und falls ich auch nur vermute, jener Hauch könne die Waagschale zur falschen Seite hin neigen …«
»Ich setze mein ganzes Vertrauen in die Gnade des Lord Drachen«, murmelte Asmodean, wobei er sich verbeugte. »Mit Erlaubnis des Lord Drachen werde ich draußen warten.«
Rand sah sich im Zimmer um, während der Mann rückwärts und unter weiteren Verbeugungen hinausging. Sein Schwert lag auf der goldbeschlagenen Truhe am Fuß des Bettes. Der Schwertgürtel mit der Drachenschnalle war gleichzeitig um die Scheide und den Seanchan-Kurzspeer gewickelt. Heute würde nicht durch Stahl getötet werden, jedenfalls nicht, was ihn betraf. Er berührte seine Manteltasche und spürte den harten Umriss der Skulptur des fetten, kleinen Mannes mit dem Schwert. Das war das einzige Schwert, das er heute benötigen würde. Einen Augenblick lang überlegte er, ob er ein Wegetor nach Tear öffnen und benutzen sollte, um Callandor zu holen, oder ob er vielleicht sogar nach Rhuidean gehen sollte um das mitzunehmen, was dort verborgen lag. Mit beidem könnte er Rahvin vernichten, bevor der Mann überhaupt etwas von seiner Anwesenheit ahnte. Er konnte sogar Caemlyn mit jedem der zwei Dinge zerstören. Doch konnte er sich selbst vertrauen? So viel Macht. So viel der Einen Macht. Saidin hing dort draußen, gerade außerhalb seiner Sicht. Das Verderben Saidins schien bereits ein Teil seiner selbst zu sein. Der Zorn wütete direkt unter der Oberfläche, Zorn auf Rahvin, Zorn auf sich selbst. Falls er ihm freien Lauf ließ und auch nur Callandor in Händen hielt … Was würde er tun? Er wäre unbesiegbar. Mithilfe des anderen könnte er sogar direkt zum Shayol Ghul gehen und allem ein Ende bereiten, so oder so. So oder so. Nein. Er befand sich ja nicht allein in dieser Lage. Er konnte sich nichts anderes als einen Sieg leisten.
»Die Welt ruht auf meinen Schultern«, murmelte er. Plötzlich jaulte er kurz und klatschte mit der Hand auf seine linke Pobacke. Er hatte das Gefühl, von einer Nadel gestochen worden zu sein, aber er musste nicht einmal die Gänsehaut an seinen Armen sehen, um zu wissen, was geschehen war. »Wofür war das?«, grollte er Aviendha an.
»Ich wollte nur sehen, ob der Lord Drache immer noch aus Fleisch und Blut besteht wie wir anderen Sterblichen.«
»Allerdings«, sagte er undeutlich und griff nach Saidin – all diese Süße, all dieser Schmutz –, und zwar gerade lange genug, um die Macht kurz einzusetzen.
Sie riss die Augen auf, zuckte aber nicht zusammen. Sie sah ihn nur an, als sei gar nichts geschehen. Trotzdem – als sie durch den Vorraum schritten, rieb sie sich heimlich den Po, weil sie glaubte, er blicke weg. Also bestand auch sie aus
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