Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
Möglichkeit Ihr erwählt. Die Menschen von den Zwei Flüssen tragen in sich, wie es scheint, viele Züge des legendären Manetheren, Charakterzüge, die sie mit den Menschen der Grenzlande teilen. Man sagt, ein Grenzländer empfange lieber selbst eine Wunde durch einen Dolchstoß, als einer Frau ein Leid zufügen zu lassen, und er betrachte das als einen fairen Handel. Ich wagte nicht, das Risiko einzugehen, Ihr könntet mein Leben über das Eure stellen und Euch einbilden, Ihr könntet irgendwie das Schicksal umgehen. Kein Risiko, fürchte ich, sondern eine närrische Einbildung, wie der heutige Tag Euch sicher bewiesen hat …
»Meine eigene Entscheidung, Moiraine«, stammelte er. »Es war meine eigene Entscheidung.«
Noch ein paar Dinge zum Schluss.
Falls Lan noch nicht weg sein sollte, sagt ihm bitte, dass das, was ich ihm antat, zu seinem eigenen Besten war. Eines Tages wird er es verstehen, und ich hoffe, er wird mir dafür danken.
Vertraut keiner Frau in vollem Maße, die jetzt zu den Aes Sedai gehört. Ich spreche hier nicht nur einfach von den Schwarzen Ajah, obwohl Ihr immer nach ihnen Ausschau halten müsst. Hütet Euch vor Verin genauso wie vor Alviarin. Wir haben die Welt dreitausend Jahre lang nach unserer Pfeife tanzen lassen. Es ist schwierig, mit einer solchen Gewohnheit zu brechen, wie ich erkennen musste, als ich nach Eurer Pfeife tanzte. Ihr müsst Euch frei bewegen, und selbst die wohlmeinendste meiner Schwestern könnte versuchen, Euch so zu führen, wie ich es einst tat.
Bitte übergebt Thom Merrilin den Brief, wenn Ihr ihn wiederseht. Es gibt da eine Kleinigkeit, von der ich ihm einst erzählte, die ich aufklären muss, damit seine Seele Ruhe findet.
Noch eines: Hütet Euch vor Meister Jasin Natael. Ich kann Euch nicht in vollem Maße zustimmen, aber ich verstehe Euch. Vielleicht ist es die einzige Möglichkeit. Und doch müsst Ihr Euch vor ihm in acht nehmen. Er ist der gleiche Mann, der er immer war. Denkt stets daran.
Möge das Licht Euch erleuchten und beschützen. Ihr werdet es gut machen.
Es war schlicht mit ›Moiraine‹ unterzeichnet. Sie hatte ihren Adelsnamen fast nie benützt.
Den vorletzten Abschnitt las er noch einmal ganz genau durch. Irgendwie hatte sie also Asmodean erkannt. Etwas anderes konnte das nicht bedeuten. Sie hatte gewusst, dass sich einer der Verlorenen unmittelbar vor ihrer Nase befand, und dennoch nicht mit der Wimper gezuckt. Und auch den Grund hatte sie wohl erkannt, falls er das richtig verstand. Er hätte ja eigentlich annehmen können, dass sie sich in einem Brief, der verschwand, sobald er ihn weglegte, klarer ausdrücken würde und geradeheraus sagen, was sie meinte. Nicht nur, was Asmodean betraf. Wie sie das alles über die Aes Sedai in Rhuidean erfahren hatte beispielsweise. Es musste wohl etwas mit den Weisen Frauen zu tun haben, wenn er richtig vermutete, und aus diesem Brief würde er genauso wenig Weiteres erfahren wie von ihnen. Gab es einen Grund, dass sie gerade Verin erwähnt hatte? Und wieso Alviarin anstatt Elaida? Und was war denn nun mit Thom und Lan? Aus irgendeinem Grund glaubte er nicht, sie habe auch einen Brief für Lan hinterlassen; der Behüter war nicht der Einzige, der saubere Wunden für das Beste hielt. Beinahe hätte er den Brief an Thom aus der Tasche geholt und gelesen, aber möglicherweise hatte sie ihn genauso präpariert wie jenen an ihn. Als typische Einwohnerin Cairhiens und noch dazu als Aes Sedai hatte sie sich bis zum bitteren Ende in Geheimnisse und Intrigen gehüllt. Bis zum bitteren Ende.
Das war es, was er wie die Pest zu vermeiden suchte, indem er lieber über ihre Geheimniskrämerei schimpfte. Sie hatte gewusst, was geschehen würde, und hatte es genauso tapfer und mutig hingenommen wie ein Aiel. Sie ging in vollem Bewusstsein, was sie erwartete, in den Tod. Sie war gestorben, weil er sich nicht dazu überwinden konnte, Lanfear selbst zu töten. Er hatte eine Frau nicht töten können, und dafür musste eine andere sterben. Sein Blick fiel wieder auf ihre letzten Worte.
… Ihr werdet es gut machen.
Das schnitt tief in ihn wie ein kaltes Rasiermesser.
»Warum weint Ihr hier allein und verlassen, Rand al’Thor? Ich habe gehört, einige Feuchtländer schämten sich, wenn man sie weinen sieht.«
Er funkelte Sulin an, die im Eingang stand. Sie war kampfmäßig ausgerüstet, den Bogen in seinem Futteral auf dem Rücken, den Köcher am Gürtel, den runden Lederschild und drei Speere in der Hand. »Ich
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