Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
er knapp, ohne sie auch nur anzusehen. Seine Blicke suchten die Straßenseiten ab, als erwarte er jeden Moment eine bewaffnete Truppe, die sie retten sollte.
Das war unglücklicherweise die gleiche Art von Antwort, die sie jedes Mal von ihm erhielt. Doch sie war hartnäckig. »Wer sind sie? Sicher keine Taraboner. Ihr leistet gute Arbeit, wenn Ihr sie immer in Bewegung haltet.« Sie hatte beobachtet, wie eine größere Gruppe von Tarabonern, ungefähr fünfzig Leute, Männer, Frauen und Kinder, schmutzig und vor Erschöpfung stolpernd, von berittenen Weißmänteln wie Vieh weitergetrieben worden war. Nur das bittere Wissen darum, dass sie völlig machtlos war, hatte sie dazu in die Lage versetzt, ihren Mund zu halten. »Amadicia ist ein reiches Land. Selbst diese Dürre kann nicht so viele in nur wenigen Monaten von ihrem Land vertrieben haben.«
In Norowhins Gesicht arbeitete es. »Nein«, sagte er schließlich. »Sie fliehen vor dem falschen Drachen.«
»Aber wieso? Er befindet sich Hunderte von Meilen von Amadicia entfernt.«
Wieder wurde ein innerer Kampf auf dem sonnenverbrannten Gesicht des Mannes deutlich. Entweder rang er um Worte, oder er wollte nichts sagen. »Sie glauben, er sei der echte Wiedergeborene Drache«, sagte er endlich, und es klang angewidert. »Sie sagen, er habe alle Bande zerrissen, wie es geweissagt wurde. Männer verlassen ihren Dienst bei ihren Lords, Lehrlinge rennen ihren Meistern weg … Ehemänner verlassen ihre Familien, und Frauen ihre Männer. Es ist wie eine Seuche, die vom Wind weitergetragen wird, und dieser Wind weht von dem falschen Drachen her.«
Morgases Blick fiel auf einen jungen Mann und eine Frau, die sich eng umschlungen in den Armen hielten und zusahen, wie ihre Gesellschaft vorbeiritt. Schweißspuren zogen sich durch den Schmutz auf ihren Gesichtern, und der Staub lag dicht auf ihrer schlichten Kleidung. Sie wirkten hungrig. Ihre Wangen waren eingefallen und ihre Augen viel zu groß. Konnte dasselbe auch in Andor geschehen? Hatte Rand al’Thor Andor das Gleiche angetan? Wenn ja, dann wird er dafür bezahlen. Die Schwierigkeit lag darin, dass die Heilung nicht noch schlimmer werden sollte als die Krankheit. Andor zu erlösen, und wenn es nur von diesem Schicksal war, und es dann den Weißmänteln übergeben …
Sie versuchte, die Unterhaltung in Gang zu halten, aber nachdem er mehr Worte herausgebracht hatte, als er je zuvor auf einmal an sie gerichtet hatte, flüchtete sich Norowhin in einsilbige Äußerungen. Es spielte keine Rolle. Wenn sie diese Mauer einmal durchbrochen hatte, konnte sie es auch wieder tun.
Sie wandte sich im Sattel um und sah wieder nach dem jungen Mann und der Frau, doch sie waren durch die Weißmantelsoldaten verdeckt. Auch das spielte keine Rolle. Ihre Gesichter würden ihr in Erinnerung bleiben, genau wie ihr Versprechen.
KAPITEL 10
Wie man in den Grenzlanden sagt
E inen Augenblick lang wünschte sich Rand die Tage zurück, an denen er allein durch die Gänge des Palastes schlendern durfte. Heute Morgen begleiteten ihn Sulin und zwanzig Töchter des Speers, dazu Bael, der Clanhäuptling der Goshien Aiel, mit einem halben Dutzend Sovin Nai , Messerhände, von den Jhirad Goshien, die zu Ehren Baels mitgekommen waren, und Bashere mit ebenso vielen Soldaten aus Saldaea, an den kühnen Raubvogelnasen erkennbar. Sie alle drängten sich in dem breiten Gang mit den bunten Wandbehängen. In den Cadin’sor gekleidete Far Dareis Mai und Sovin Nai blickten durch die Diener hindurch. Diese verbeugten sich hastig oder knicksten und eilten weg, um den Weg frei zu machen. Die jüngeren der Soldaten aus Saldaea stolzierten recht aufgeblasen einher in ihren Kurzmänteln und den Pumphosen, die sie in die Stiefel gesteckt hatten. Selbst hier in diesem schattigen Gang war es heiß, und Staubteilchen tanzten in der Luft. Einige der Diener trugen die rot-weiße Livree wie zu Morgases Zeiten, aber die meisten waren ohnehin neu und hatten nur das an, was sie bei ihrem Vorstellungsgespräch getragen hatten, eine ziemlich bunte Mischung aus der typischen Wollkleidung der Bauern und Arbeiter, zumeist dunkel und schlicht, aber es waren auch alle möglichen Farben zu sehen und hier und da sogar ein wenig Stickerei oder etwas Spitzenbesatz.
Rand machte sich eine gedankliche Notiz, Frau Harfor, die Haushofmeisterin, zu bitten, genügend Livrees aufzutreiben, um alle damit zu versorgen, damit die Neuen nicht gezwungen waren, in ihren besten Kleidern zu
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