Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
verfing. Der lose Dachziegel, der vom Wind endgültig abgerissen und durch ein offenes Fenster und eine Tür gewirbelt wurde und im dahinterliegenden Zimmer eine Frau erschlug, die mit ihrer Familie bei Tisch saß. Auch solche Dinge geschahen, wenn auch selten. Nur in seiner Umgebung war das keine Seltenheit. Ob zum Guten oder zum Bösen – und beides geschah ungefähr gleich oft – veränderte er die Wahrscheinlichkeit einfach nur durch seine Anwesenheit innerhalb einiger Meilen. Nein, und sollten auch die Drachen von seinen Unterarmen und die in seine Handflächen eingebrannten Reiher verschwinden, wäre er dennoch gebrandmarkt. Es gab eine Redensart in den Grenzlanden: Die Pflicht wiegt schwerer als ein Berg, der Tod leichter als eine Feder. Wenn man einmal diesen Berg fest auf den Schultern trug, hatte man keine Möglichkeit mehr, ihn loszuwerden. Es gab sowieso niemand anderen, der ihm die Last abnehmen würde, jammern half da gar nichts.
Er bemühte sich um einen knappen Tonfall: »Habt Ihr die Männer aufgespürt, die den armen Kerl in der Scheune aufhängten?« Bashere schüttelte den Kopf. »Dann sucht sie und verhaftet sie wegen Mordes. Ich will diesen Dingen Einhalt gebieten. Jetzt an mir zu zweifeln ist kein Verbrechen.« Den Gerüchten nach hatte der Prophet es zu einem Verbrechen erklärt, aber noch konnte er deshalb nichts unternehmen. Er wusste nicht einmal, wo sich Masema aufhielt, nur, dass er irgendwo in Ghealdan oder Amadicia sein musste. Wenn er nicht bereits woanders war. Doch er machte sich eine weitere gedankliche Notiz: Er musste den Mann finden und ihm irgendwie Zügel anlegen.
»Gleich, wie weit es geht?«, fragte Bashere. »Man flüstert sich hinter vorgehaltener Hand zu, Ihr wärt ein falscher Drache, der mit der Hilfe von Aes Sedai Morgase getötet habe. Man erwartet, dass sich die Menschen gegen Euch erheben und ihre Königin rächen. Es könnte mehr als einen geben, der dumme Sachen anstellt. Man kann es nicht vorhersagen.«
Rands Gesichtszüge verhärteten sich. Mit dem ersten konnte er leben – er hatte keine andere Wahl, denn es gab einfach zu viele Gerüchte, um sie alle zu widerlegen, und wenn er selbst noch so oft widersprach –, aber er würde die Aufforderung zur Rebellion nicht dulden. Andor würde er nicht auch noch durch einen Bürgerkrieg zerreißen. Nicht Andor. Er wollte Elayne ein Land übergeben, das genauso unbefleckt war, wie er es übernommen hatte. Falls er sie jemals fand. »Findet heraus, wer das in die Welt gesetzt hat«, sagte er grob, »und werft die Schuldigen ins Gefängnis.« Licht, wie konnte man feststellen, wer ein Gerücht in Umlauf gebracht hatte? »Wenn sie um Gnade betteln, können sie Elayne darum bitten.« Eine junge Dienerin in einem grob gewebten braunen Kleid, die gerade eine blaue, gerillte Glasschüssel abstaubte, bemerkte seine Miene; ihr fiel die Schüssel aus den mit einem Mal zitternden Händen und zerbrach. Nicht immer veränderte er die Gesetze der Wahrscheinlichkeit. »Gibt es auch gute Neuigkeiten? Ich könnte ein paar gebrauchen.«
Die junge Frau bückte sich unsicher, um die Scherben der Schüssel aufzulesen, aber Sulin warf ihr einen Blick zu, nur einen flüchtigen Blick, und sie sprang zurück und drückte sich mit weit aufgerissenen Augen an einen Wandbehang, auf dem eine Leopardenjagd abgebildet war. Rand verstand das nicht, aber manche Frauen schienen sich vor den Töchtern des Speers viel mehr zu fürchten als vor den Aielmännern. Die junge Frau blickte zu Bael auf, als suche sie Schutz bei ihm. Er aber schien sie gar nicht zu bemerken.
»Das kommt darauf an, was man unter guten Nachrichten versteht.« Bashere zuckte die Achseln. »Ich habe erfahren, dass Ellorien aus dem Hause Traemane und Pelivar aus dem Hause Caelan die Stadt vor drei Tagen betraten. Sich hineinschlichen, könnte man sagen, und keiner von beiden hat sich der Innenstadt genähert, soweit ich weiß. Dem Klatsch zufolge soll sich Dyelin aus dem Hause Taravin in der Umgebung auf dem Land aufhalten. Keines der Häuser hat auf Eure Einladungen geantwortet. Ich habe aber nichts vernommen, was eines von ihnen mit dem Gerede in Verbindung brächte.« Er sah zu Bael hinüber, der mit einem leichten Kopfschütteln auf die unausgesprochene Frage antwortete.
»Wir erfahren weniger als Ihr, Davram Bashere. Diese Leute äußern sich in der Umgebung anderer Feuchtländer einfach freier.«
Es waren aber in jedem Fall gute Nachrichten. Es handelte sich
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