Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
bereit, damit sie sich die Nase putzen konnte. Die anderen Frauen versammelten sich um sie, und jede verkündete, dass diese Frau ihnen gegenüber kein Toh habe, bevor sie Egwene nacheinander umarmten und anlächelten. Das Lächeln war der größte Schock. Surandha strahlte sie so freundlich an wie immer. Aber natürlich! Toh existierte nicht mehr, wenn man ihm gegenübergetreten war. Was auch immer es bewirkt hatte, hätte genauso gut nicht geschehen sein können. Ein kleiner, nicht in das Ji’e’toh eingebundener Teil Egwenes glaubte, dass ihre Worte wie auch die Tatsache, dass sie sich zunächst wieder hingelegt hatte, vielleicht letztendlich gewirkt hatten. Vielleicht war sie am Anfang nicht gleichmütig gewesen, aber zumindest am Ende – darin hatte Sorilea recht. Sie war in ihrem Herzen eine Aiel. Sie glaubte, dass sie in einem Teil ihres Herzens stets eine Aiel sein würde.
Die Weisen Frauen und die Lehrlinge zerstreuten sich allmählich. Anscheinend hätten sie die ganze Nacht bleiben und mit Egwene lachen und reden sollen, aber das war nur ein Brauch, nicht Ji’e’toh , und mit Sorileas Hilfe konnte sie sie davon überzeugen, dass sie nicht die Zeit dafür hatte. Letztendlich blieben nur sie, Sorilea und die beiden Traumgängerinnen im Zelt. Die Umarmungen und das Lächeln hatten ihre Tränen fast versiegen lassen, und auch wenn ihre Lippen noch immer zitterten, konnte sie doch schon wieder lächeln. In Wahrheit hätte sie gern erneut geweint, wenn auch aus einem anderen Grund. Zum Teil aus einem anderen Grund.
»Ich werde Euch alle sehr vermissen.«
»Unsinn.« Sorilea schnaubte nachdrücklich. »Wenn Ihr Glück habt, werden sie Euch sagen, dass Ihr jetzt keine Aes Sedai mehr werden könnt. Dann könnt Ihr zu uns zurückkehren. Ihr werdet mein Lehrling sein. In drei oder vier Jahren werdet Ihr Eure eigene Feste haben. Ich weiß sogar schon, welcher Ehemann für Euch infrage kommt: der jüngste Enkel meiner Enkelin Amaryn, Taric. Er wird, glaube ich, eines Tages Clanhäuptling sein, also werdet Ihr nach einer Schwesterfrau als seine Dachherrin Ausschau halten müssen.«
»Danke.« Egwene lachte. Anscheinend gab es etwas, worauf sie zurückgreifen konnte, wenn der Saal in Salidar sie fortschickte.
»Und Amys und ich werden Euch in Tel’aran’rhiod treffen«, sagte Bair, »und Euch von den Ereignissen hier und mit Rand al’Thor berichten. Ihr werdet in der Welt der Träume jetzt Euren eigenen Weg gehen, aber wenn Ihr wollt, werde ich Euch noch immer lehren.«
»Das will ich.« Wenn der Saal sie irgendwo in die Nähe von Tel’aran’rhiod ließ. Aber andererseits konnten sie sie nicht davon fernhalten. Was auch immer sie tun würden – das konnten sie nicht tun. »Bitte behaltet ein wachsames Auge auf Rand und die Aes Sedai. Ich weiß nicht, was er vorhat, aber ich bin sicher, dass es gefährlicher ist, als er glaubt.«
Amys erwähnte natürlich nichts mehr über weiteres Lernen. Sie hatte ihr Wort gegeben, sich ihr gegenüber auf bestimmte Weise zu verhalten, und selbst die Begegnung mit dem Toh konnte daran nichts ändern. Stattdessen sagte sie: »Ich weiß, dass Rhuarc es bedauern wird, heute Abend nicht hier zu sein. Er ist in den Norden gegangen, um die Shaido selbst zu sehen. Fürchtet nicht, dass Euer Toh ihm gegenüber ungeklärt bleibt. Er wird Euch die Gelegenheit geben, wenn Ihr Euch das nächste Mal seht.«
Egwene war überrascht und verbarg es, indem sie sich zum anscheinend zehnten Mal die Nase putzte. Sie hatte Rhuarc ganz vergessen. Natürlich besagte nichts, dass sie ihre Verpflichtung ihm gegenüber auf dieselbe Art erfüllen musste . Vielleicht war sie im Herzen zumindest zum Teil eine Aiel, aber einen Moment suchte ihr Geist verzweifelt nach einer anderen Möglichkeit. Es musste eine andere Möglichkeit geben. Und sie würde viel Zeit haben, sie zu ersinnen, bevor sie ihm wieder begegnete. »Ich wäre sehr dankbar dafür«, sagte sie leise. Und da war auch noch Melaine. Und Aviendha. Licht! Sie hatte gedacht, es sei erledigt. Ihre Füße bewegten sich weiterhin unruhig, egal wie sehr sie diese auch stillzuhalten versuchte. Es musste eine andere Möglichkeit geben.
Bair öffnete den Mund, aber Sorilea kam ihr zuvor. »Wir müssen sie sich ankleiden lassen. Sie muss sich auf die Reise begeben.« Bairs dünner Hals erstarrte, und Amys’ Mundwinkel sanken herab. Ihnen allen missfiel offensichtlich, was sie vorhatte, und zwar noch mehr als zuvor.
Vielleicht wollten sie
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