Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)

Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)

Titel: Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
Vom Netzwerk:
weite Blick, der sich ihr bot, als sich die Straße um einen Hügel herumwand, fast unbemerkt an ihr vorüber. Sie beobachtete die Gruppen von Aiel, die durch die sich vor ihnen teilende Menge schritten, und auch die aus hakennasigen, häufig bärtigen Reitern bestehenden Patrouillen, aber nur weil sie Min an die Geschichten erinnerten, die sie gehört hatten, als sie noch in Murandy weilten. Merana hatten diese Geschichten verärgert, und auch die verkohlten Beweise der Drachenverschworenen, auf die sie zwei Mal gestoßen waren, aber Min glaubte, dass sich einige der anderen Aes Sedai sorgten. Je weniger darüber gesprochen wurde, was sie von Rands Amnestie hielten, umso besser.
    Sie zügelte Wildrose am Rande des Platzes vor dem Königlichen Palast und tupfte ihr Gesicht sorgfältig mit einem spitzengesäumten Taschentuch ab, das sie dann wieder in ihren Ärmel steckte. Nur wenige Menschen sprenkelten das große Oval, vielleicht weil Aiel die geöffneten Tore des Palastes bewachten. Weitere Aiel standen auf Marmorbalkonen oder streiften wie Leoparden durch hohe Säulengänge. Der Weiße Löwe von Andor wehte über der höchsten Palastkuppel im Wind. Eine weitere karmesinrote Flagge flatterte auf einer der ein wenig tiefer gelegenen Dachspitzen und wurde durch die Brise gerade weit genug ausgebreitet, dass das uralte schwarz-weiße Symbol der Aes Sedai erkennbar war.
    Diese Aiel bewirkten, dass sie froh war, das Angebot zweier Behüter als Eskorte abgelehnt zu haben. Nun, es war eigentlich kein Angebot gewesen, und sie hatte abgelehnt, indem sie eine Stunde vor der angegebenen Zeit auf der Uhr auf dem Kaminsims des Gasthauses davongeschlichen war. Merana stammte aus Caemlyn, und als sie vor der Dämmerung angekommen waren, hatte sie Min geradewegs zu dem, wie sie sagte, vornehmsten Gasthaus in der Neustadt geführt.
    Jedoch waren nicht die Aiel der Grund, warum Min dort war. Nicht ganz, obwohl sie alle möglichen Arten schrecklicher Geschichten über schwarz verschleierte Aiel gehört hatte. Ihr Mantel und ihre Hose waren aus der feinsten, weichsten Wolle, die in Salidar zu finden war, in einem hellen Rotton mit winzigen blau-weißen aufgestickten Blumen an den Aufschlägen und an der Außenseite der Hosenbeine. Ihr Hemd war ebenfalls wie das eines Mannes geschnitten, aber es war aus cremefarbener Seide. In Baerlon hatten ihre Tanten nach dem Tod ihres Vaters versucht, sie zu einer, wie sie es nannten, richtigen, anständigen Frau zu machen, obwohl ihre Tante Miren vielleicht begriffen hatte, dass es, nachdem sie zehn Jahre lang in Jungenkleidung herumgelaufen war, vielleicht zu spät war, sie in Kleider zu stecken. Sie hatten es dennoch versucht, und sie hatte sich genauso eigensinnig gewehrt, wie sie sich geweigert hatte, nähen zu lernen. Abgesehen von jener unglückseligen Episode im Bergarbeiters Ruh – einem rauen Ort, an dem sie aber nicht lange geblieben war; Rana, Jan und Miren hatten energisch dafür gesorgt, als sie es herausfanden, und es war dabei unwichtig, dass sie damals bereits zwanzig Jahre alt gewesen war –, abgesehen von diesem einen Mal hatte sie niemals freiwillig ein Kleid getragen. Jetzt dachte sie, dass sie sich vielleicht eines anstatt dieses Mantels und dieser Hose hätte anfertigen lassen sollen. Ein Seidengewand mit engem Leibchen und tief ausgeschnitten und …
    Er wird mich so nehmen müssen, wie ich bin, dachte sie und riss verärgert an den Zügeln. Ich werde mich für keinen Mann ändern. Nur wäre ihre Kleidung vor noch gar nicht allzu langer Zeit so einfach wie die eines Bauern gewesen, und ihr Haar hätte nicht gelockt bis fast auf die Schultern gereicht. Eine leise Stimme flüsterte: Du wirst so sein wollen, wie er dich haben will. Sie wehrte das genauso ab, wie sie stets jeden Stallburschen abgewehrt hatte, der anzüglich werden wollte, und trieb Wildrose kaum sanfter an. Sie hasste allein schon den Gedanken, dass Frauen schwach sein könnten, wenn es um Männer ging. Sie würde jetzt sehr bald herausfinden, wie es sich wirklich verhielt.
    Sie stieg vor den Palasttoren ab, tätschelte die Stute, um ihr zu zeigen, dass sie sie nicht hatte treten wollen, und beäugte unbehaglich die Aiel. Die Hälfte von ihnen waren Frauen, alle außer einer erheblich größer als sie. Die meisten Männer ragten in die Höhe wie Rand, und einige sogar noch höher. Jedermann beobachtete sie – nun, sie schienen alles zu beobachten, aber sie ganz entschieden auch –, und sie sah niemanden

Weitere Kostenlose Bücher