Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
wandte sich Rand an Nandera. »Warten Eure zwanzig Töchter des Speers draußen?«
Nandera wölbte die Augenbrauen. »Zwanzig? Eure Nachricht besagte, ich solle so viele mitnehmen, wie mir angemessen erschiene, und dass Ihr vielleicht nicht zurückkehren würdet. Ich habe fünfhundert und hätte noch mehr, wenn ich dem nicht Einhalt geboten hätte.«
Er nickte nur. In seinem Kopf herrschte Schweigen, aber er konnte Lews Therin in dem um ihn befindlichen Nichts spüren , der wie eine zusammengerollte Sprungfeder lauerte. Erst als er alle durch das Wegetor in den Raum in Cairhien geführt hatte und die Öffnung wieder verschlossen war, womit er seine Verbindung zu Alanna auf den vagen Eindruck ›irgendwo im Westen‹ reduziert hatte – erst da schien Lews Therin fortzugehen. Es war, als wäre der Mann, von den Kämpfen mit Rand erschöpft, schlafen gegangen. Schließlich schob Rand Saidar fort, und erkannte erst jetzt, wie sehr auch ihn der Kampf erschöpft hatte. Loial musste ihn zu seinen Räumen im Sonnenpalast tragen.
Merana saß mit Rands Brief auf dem Schoß ruhig am Wohnraumfenster, den Rücken zur Straße gewandt. Sie kannte seinen Inhalt inzwischen auswendig.
Merana, begann er. Nicht Merana Aes Sedai, nicht einmal Merana Sedai.
Merana,
ein Freund hat mir einmal gesagt, dass die Zahl Dreizehn bei den meisten Würfelspielen als fast so unheilbringend angesehen wird wie das Augenrollen des Dunklen Königs. Ich glaube auch, dass die Dreizehn eine Unglückszahl ist. Ich gehe nach Cairhien. Ihr mögt mir, wenn Ihr wollt, mit nicht mehr als fünf weiteren Schwestern folgen. Auf diese Weise steht Ihr mit der Abordnung der Weißen Burg gleich. Ich werde verletzt sein, wenn Ihr mehr als fünf weitere Schwestern mitbringt. Setzt mich nicht wieder unter Druck. Ich kann kaum noch vertrauen.
Rand al’Thor
Der Wiedergeborene Drache
Am Ende des Briefes hatte er die Feder so stark aufgedrückt, dass das Papier beinahe zerrissen wäre. Die letzten beiden Zeilen schienen fast in einer anderen Handschrift als der restliche Brief geschrieben zu sein.
Merana saß ganz still. Sie war nicht allein. Die übrigen Mitglieder der Abordnung, wenn man sie noch so nennen konnte, saßen verschiedener Stimmung entlang den Wänden in Sesseln. Ärgerlicherweise saß nur Berenicia genauso bescheiden da wie Merana, die plumpen Hände im Schoß gefaltet, den Kopf leicht gebeugt und die ernsten Augen wachsam. Sie sagte kein Wort, wenn sie nicht angesprochen wurde. Faeldrin saß recht stolz und aufrecht und redete, wann immer sie wollte – genau wie Masuri und Rafela. Seonid war kaum weniger eifrig; sie hockte auf der Kante ihres Sessels und lächelte entschlossen. Die anderen verhielten sich so gelassen wie Vandene. Außer Verin und Alanna waren alle anwesend, und Gaidin waren ausgeschickt worden, die beiden zu suchen. Kiruna und Bera standen mitten im Raum.
»Es widert mich an, dass irgendjemand einer Aes Sedai einen solchen Brief schicken konnte.« Kiruna hatte nicht laut gesprochen, ihre Stimme klang gleichzeitig kühl und ruhig und mächtig. Aber ihre dunklen Augen sprühten Feuer. »Demira, kann Euer Gewährsmann bestätigen, dass al’Thor nach Cairhien gegangen ist?«
»Das Schnelle Reisen«, murmelte Bera ungläubig. »Wer hätte gedacht, dass er das wiederentdecken würde.«
Die bunten Perlen in Faeldrins Zöpfen klangen zusammen, als sie nickte. »Uns fällt keine andere Möglichkeit ein. Wir sollten uns schleunigst vor Augen halten, dass er vielleicht sogar mächtiger ist als Logain oder Mazrim Taim.«
»Können wir wegen Taim nichts unternehmen?« Rafelas rundes Gesicht, das für gewöhnlich einen liebenswürdigen Ausdruck zeigte, wirkte jetzt recht streng, und ihre sonst liebliche Stimme klang tonlos. »Es gibt keine zwanzig Meilen von uns entfernt mindestens einhundert Männer, die die Macht lenken können – einhundert!« Kairen nickte energisch, schwieg aber.
»Sie müssen warten«, sagte Kiruna bestimmt. »Licht und Ehre, ich weiß nicht, wie viele Schwestern nötig sein werden, um mit so vielen fertig zu werden. Aber al’Thor ist das Wichtigste, und mit ihm können wir zurechtkommen. Demira?«
Demira hatte natürlich abgewartet, bis die anderen gesprochen hatten. Dann sagte sie mit leicht gebeugtem Kopf: »Ich weiß nur, dass er tatsächlich fortgegangen ist, zweifellos mit einer großen Anzahl von Aiel und vielleicht auch mit Perrin Aybara.«
Verin hatte den Raum betreten, als Demira zu sprechen begonnen
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