Das Rad der Zeit 7. Das Original: Die Krone der Schwerter (German Edition)
hervorstanden. »Wollt Ihr mir damit Angst einjagen?«, grollte er. »Erwartet Ihr von mir, zu betteln oder dankbar zu sein? Zu weinen? Aes Sedai, ich könnte meine Hand schließen und Euch zerquetschen.« Die Hand, die er hochhielt, bebte vor Zorn. »Merana weiß, warum ich es tun sollte. Und nur das Licht weiß, warum ich es nicht tue.«
Die Frau betrachtete das verbeulte Teegeschirr, als hätte sie alle Zeit der Welt. »Jetzt wisst Ihr es«, sagte sie schließlich so ruhig wie immer, »dass ich Eure Zukunft kenne – und Eure Gegenwart. Die Gnade des Lichts verblasst für einen Mann, der die Macht lenken kann, zu nichts. Einige sehen das und glauben, das Licht lehne jene Männer ab. Ich glaube das nicht. Habt Ihr bereits begonnen, Stimmen zu hören?«
»Was meint Ihr damit?«, fragte er zögernd. Er konnte spüren, dass Lews Therin zuhörte.
Seine Haut begann erneut zu kribbeln, und er hätte beinahe die Macht gelenkt, aber alles was geschah, war lediglich, dass die Teekanne angehoben wurde, zu Cadsuane schwebte und sich langsam in der Luft drehte, damit sie diese betrachten konnte. »Einige Männer, die die Macht lenken können, beginnen Stimmen zu hören.« Sie sprach fast abwesend, während sie stirnrunzelnd die abgeflachte Silber- und Goldkugel betrachtete. »Es ist Teil des Wahnsinns. Stimmen, die sich mit ihnen unterhalten, ihnen sagen, was sie tun sollen.« Die Teekanne schwebte langsam auf den Boden zu ihren Füßen. »Habt Ihr schon welche gehört?«
Dashiva lachte heiser und mit bebenden Schultern auf. Narishma benetzte seine Lippen. Er hatte vorher vielleicht keine Angst vor der Frau gehabt, aber jetzt beobachtete er sie wie einen Skorpion.
»Ich werde die Fragen stellen«, sagte Rand entschlossen. »Ihr scheint zu vergessen, dass ich der Wiedergeborene Drache bin.« Du bist real, nicht wahr?, fragte er. Es erfolgte keine Antwort. Lews Therin? Manchmal antwortete der Mann nicht, aber Aes Sedai zogen ihn stets an. Lews Therin? Er war nicht wahnsinnig. Die Stimme war real, keine Einbildung. Kein Wahnsinn. Das plötzliche Bedürfnis zu lachen half auch nicht.
Cadsuane seufzte. »Ihr seid ein junger Mann, der wenig Ahnung davon hat, wohin sein Weg ihn führt und warum, oder was vor ihm liegt. Ihr scheint überreizt. Vielleicht können wir miteinander sprechen, wenn Ihr ruhiger seid. Habt Ihr irgendwelche Einwände dagegen, dass ich Merana und Annoura eine Weile mitnehme? Ich habe beide länger nicht gesehen.«
Rand starrte sie an. Sie rauschte hier herein, beleidigte ihn, drohte ihm, verkündete beiläufig, dass sie von der Stimme in seinem Kopf wusste, und wollte jetzt gehen und mit Merana und Annoura plaudern? Ist sie wahnsinnig ? Lews Therin antwortete noch immer nicht. Der Mann war real. Er war es!
»Geht«, sagte er. »Geht, und …« Er war nicht wahnsinnig. »Ihr alle, geht! Hinaus!«
Dashiva sah ihn blinzelnd an, neigte den Kopf, zuckte dann die Achseln und ging auf die Tür zu. Cadsuane lächelte auf eine Art, dass er halbwegs erwartete, sie würde ihn erneut einen guten Jungen nennen, nahm aber dann nur Merana und Annoura und schob sie auf die Töchter des Speers zu, die gerade ihre Schleier senkten und besorgt die Stirn runzelten. Narishma sah ihn auch zögernd an, bis Rand eine scharfe Geste vollführte. Schließlich waren sie alle fort, und er war allein. Allein.
Er schleuderte das Drachenszepter von sich. Die Speerspitze blieb zitternd in der Rückenlehne eines der Sessel stecken, und die Quasten schwangen.
»Ich bin nicht wahnsinnig«, sagte er in den leeren Raum. Lews Therin hatte ihm einiges gesagt. Er wäre Galinas Kiste ohne die Stimme des toten Mannes niemals entronnen. Aber er hatte die Macht schon benutzt, bevor er die Stimme jemals gehört hatte. Er hatte herausgefunden, wie man Blitze heraufbeschwor und Feuer schleuderte und ein Gebilde errichtete, das Hunderte von Trollocs getötet hatte. Aber andererseits war das vielleicht Lews Therin gewesen, wie jene Erinnerungen daran, in einem Obstgarten auf Bäume zu klettern, in die Halle der Diener einzutreten und ein Dutzend weitere Erinnerungen, die unvermittelt auf ihn eindrangen. Und vielleicht waren diese Erinnerungen alle Einbildung, wahnsinnige Träume eines irrwitzigen Geistes, genau wie die Stimme.
Er merkte, dass er auf und ab schritt, und doch konnte er nicht damit aufhören. Er hatte das Gefühl, sich bewegen zu müssen, weil seine Muskeln sonst krampfartig reißen würden. »Ich bin nicht wahnsinnig«, keuchte er.
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